31.12.2009: 2009 war das Jahr, in dem die Krise Atem geschöpft hat. 2010 steht uns das Endspiel bevor.
28.12.2009: “Ein unbegrenzter Zugang zu Staatshilfen ist nötig, um die andauernde Stärke und Stabilität des Hypothekenmarktes zu erhalten.“ Aus der Mitteilung des US-Finanzministeriums zur Aufhebung der Obergrenzen für die Staatshilfen der beiden halbstaatlichen Verbriefungsagenturen Fannie Mae und Freddie Mac.
400 Milliarden Dollar reichen also nicht aus, obwohl erst 111 Milliarden davon gezogen worden sind. Vermutlich eine präventive Maßnahme. Die Regierung wird wissen, warum sie dies für nötig hält.
„Es gibt eine bedeutende Unsicherheit um die Zukunft unseres Geschäfts einschließlich der Frage, ob wir weiter existieren werden“, hatte Fannie Mae anlässlich der Ergebnisse für das dritte Quartal mitgeteilt (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.12.2009, Seite 13).
23.12.2009: Nach einer Auswertung der kanadischen Botschaft von Maklerangeboten in elf chinesischen Großstädten sind die Häuserpreise im Oktober nicht um 4, sondern um 14 Prozent gestiegen. In Peking waren es 22 Prozent, nicht minus 2 Prozent, wie das Nationale Statistikbüro angegeben hatte. Die Preise von Wohnungen, die zwischen 2003 und 2005 gebaut wurden, haben um 22 Prozent pro Jahr zugenommen. Bei den Neubauwohnungen liegt die Preissteigerungsrate derzeit bei 50 Prozent (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.12.2009 Seite 12). Kalifornien, Florida und Dublin sehen da aber vergleichsweise blaß aus. Die Kreditanforderungen für Zweit- und Drittwohnungen werden jetzt aber von den Banken heraufgesetzt, um die Spekulationen zu bekämpfen. Außerdem wurde die Haltefrist für den steuerfreien Verkauf von Immobilien von 2 auf 5 Jahre erhöht. Immerhin. Da kommt schon wieder eine Krise mit Ansage auf uns zu. Warnungen gab es wirklich genug. Aber es wäre ja irrational für die Investoren aus dem Markt auszusteigen, so lange die Preise noch steigen.
20.12.2009: Der für den Kauf der HGAA verantwortliche ehemalige BayernLB-Chef Werner Schmidt erhielt gleich nach seinem Ausscheiden bei der BayernLB von der HGAA einen Beratervertrag - dotiert mit 50 000 Euro jährlich. Dazu Schmidt: “Viel zu lächerlich” sei diese Summe, um seine Beratertätigkeit als zwielichtig einordnen zu können. Just Peanuts.
“Gegenwärtig kann ich die Bayern LB nicht mal mehr verschenken.” Ministerpräsident Horst Seehofer
19.12.2009: Das Verschuldungsbeschleunigungsgesetz ist nun doch vom Bundesrat angenommen worden. Ministerpräsident Carstensen ging es nur um den eigenen Landeshaushalt. Er hat sich am Ende seine Zustimmung abkaufen lassen. Josef Ackermann will die britische Strafsteuer auf Bankerboni auf alle Mitarbeiter und Aktionäre umlegen. Das ist gelebte Solidarität in einem internationalen Bankhaus. Er begreift es einfach nicht: Die britischen Wähler sind - zu Recht - sauer auf ihre Banker und das sollten diese in einem demokratischen Gemeinwesen auch finanziell zu spüren bekommen. Das darf man nichts abfedern. Und es ist in diesem Fall auch egal, was die Konkurrenz macht, denn es stehen höhere Werte auf dem Spiel. Genausowenig wie man Ludwig Erhard nach seiner Einschätzung der aktuellen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung fragen kann, kann man von Alfred Herrhausen noch Grundsätzliches zur Lohnpolitik seines Hauses gegenüber den Investmentbankern hören - leider!
Die EZB warnt vor den Risiken der Abwertungen von gewerblichen Immobilien für die europäischen Bankbilanzen. Die Ratingagentur Fitch warnt vor den Risiken chinesischer Banken. Die Geldinstitute verbuchten Transaktionen verstärkt außerbilanziell, um mehr Kredite vergeben zu können. Zu diesen Transaktionen zählten beispielsweise die Umwandlung von Krediten in Vermögensverwaltungsprodukte, die an Investoren vertrieben werden, sowie der Verkauf von Krediten an andere Finanzinstitute. Déja vu?
15.12.2009: Die Landesbank ist doch kein Loch, ein Loch hat doch an Rand. Gerhart Polt: “Apokalypsen” auf der gleichnamigen CD
Am Freitag wurde die erste deutsche Bad Bank errichtet. Geschäftszweck ist die Übernahme und Abwicklung der faulen Positionen der WestLB.
10.12.2009: Die japanische Wirtschaft ist im dritten Quartal erheblich schwächer gewachsen als ursprünglich gemeldet. Die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts wurde von 1,2 auf 0,3 Prozent im Quartalsvergleich korrigiert. Der wesentliche Grund dafür ist, daß die Ausrüstungsinvestitionen im Vergleich zum Vorquartal nicht gestiegen, sondern um fast 3 Prozent geschrumpft sind.
“Griechenland ist nicht das nächste Island oder Dubai.” Der griechische Finanzminister George Papaconstantinou
Die britische Regierung will eine Strafsteuer auf Bankerboni einführen. Derartiges ist wohl nur in einem Land ohne geschriebene Verfassung möglich. Die Maßnahme dürfte die gereizte Haltung der britischen Bevölkerung gegenüber der City reflektieren.
1.12.2009: Dubai steht nicht für 59 Milliarden Euro Verbindlichkeiten von Dubai World gerade. Die Gläubiger sollen ihren Teil zur Sanierung beitragen. Die Börsen von Abu Dhabi und Dubai sind am Montag erwartungsgemäß eingebrochen. Ausländische Adressen ziehen ihr Kapital ab. Die Zentralbank der Emirate hat einen Rettungsfonds für die Banken der Region aufgelegt. Dessenungeachtet steigt der Dax um 2,7 Prozent.
In Japan wird zum letzten Gefecht geblasen. Der Verbraucherpreisindex geht in den freien Fall nach unten über. Dazu tragen auch die wegen der Aufwertung des Yen rückläufigen Exporte ihren Teil bei. Das Öffnen der Liquiditätsschleusen durch die Notenbank geschieht selbstverständlich nur vorbeugend, damit die Verbraucher und die Unternehmen sich nicht etwa in ihrem Verhalten auf eine anhaltende Deflation einstellen. Die Maßnahmen werden von der Regierung durch weitere fiskalische Impulse flankiert. Ob es diesmal hilft? Das fiskalpolitische Pulver ist nun nicht mehr trocken.
30.11.2009: Alumnia gibt eine Garantieerklärung für Griechenland ab. Wegen der Unterstützung durch die Europäische Union werde Griechenland als Schuldner “nie” ausfallen. Das Land hat sich mit gefälschten Statistiken in die Währungsunion eingeschlichen und seitdem wenig Wohlverhalten gezeigt. Mit weiteren Fälschungen wurde notdürftig versucht, die enormen Haushaltslöcher zu verschleiern. Sag niemals nie.
Die japanischen Kfz-Exporte sind im Oktober gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 34,6 Prozent eingebrochen. Wie der Verband der japanischen Automobilhersteller am Montag mitteilte, wurde damit den 13. Monat in Folge ein Rückgang verzeichnet. (Dow Jones Newswires).
29.11.2009: Die Bundesregierung will mit einem Maßnahmenpaket eine Kreditklemme verhindern. Frau Merkel setzt die Banken moralisch unter Druck. Ein “Kreditmediator” soll Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, dabei helfen, “zu vernünftigen Bedingungen” an Darlehen zu kommen. Den Banken soll unter die Arme gegriffen werden. Die Globaldarlehen der KfW sollen ausgeweitet und es sollen staatliche Garantien für Kreditrisiken vergeben werden. Der Staat mischt sich immer mehr in die Risikopolitik der Banken ein. War das nicht eine der Ursachen der Krise, der politische Druck auf Fannie und Freddie? Licet.
There’s no hope, not a glimmer: Alle Maßnahmen, die auf lange Sicht die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung derart schwerer Systemkrisen vermindern könnten, stehen in Widerspruch zur inneren Logik des Systems. Ich glaube nicht daran, daß man die Gesetzgeber durch institutionelle Reformen wirksam gegen lobbyistischen Druck immunisieren kann. Ich glaube nicht daran, daß die Menschen freiwillig ihre Konsumansprüche und ihre Verschuldungsbereitschaft zwecks sofortiger Befriedigung ihrer Wünsche zurückschrauben werden. Sollte es Ansätze dazu geben, werden die Regierungen, die Zentralbanken und die Finanzindustrie mit Easy money, Abwrackprämien und anderen Instrumenten gegensteuern - solange sie noch können. Der Mut, die Konsum- und Schuldenspirale politisch in Frage zu stellen, fehlt allerorten - trotz der Systemkrise. Zweifler werden mit dem Arbeitsplatzargument überzeugt. Motto: Es ist egal, was wir produzieren, warum wir produzieren und welche Risiken und Nebenwirkungen damit verbunden sind – Hauptsache, es wird möglichst viel produziert, damit die Beschäftigung möglichst hoch ausfällt. Ob wir einen Opel bauen oder nur Löcher ausheben und wieder zuschütten spielt auch keine Rolle mehr. Das System hat einen Grad von Irrationalität erreicht, von dem Adorno und Marcuse nicht einmal geträumt haben dürften.
Ich glaube nicht daran, daß die Medien und Beratungsgremien sich in Zukunft durch mehr unabhängigen und kritischen Sachverstand auszeichnen werden. Die Wirtschaftsforschungsinstitute und der Sachverständigenrat sind ihrer Rolle als Warner und Mahner in keiner Weise gerecht geworden. Das war auch nicht zu erwarten. Was lernen Ökonomen an Universitäten? Die Wissensbausteine und die Methoden, die man braucht, um innerhalb des Systems bestimmte Funktionen auszufüllen. Was sie lernen müßten? Die richtigen Fragen zu stellen. Die Grundannahmen ihres Faches in Frage zu stellen. Ein Ökonom braucht philosophische, historische und ethische Grundlagen, sonst ist er nicht mehr als ein Number cruncher, eine Art volkswirtschaftlicher Buchhalter. Von Spezialisten kann ich nicht erwarten, daß sie über den Tellerrand hinaussehen können. Insofern bin ich dankbar, daß ich Christian Watrin zu meinen akademischen Lehrern an der Universität zu Köln zählen durfte.
Rettung durch die Politik? Von da ist nicht viel zu erwarten. Wir sind doch eine pluralistische Gesellschaft. Arbeit, Konsum und Verfassungspatriotismus reichen doch als Kitt? Es ist kein Zufall, daß die langfristigen politischen Aussagen in der Krise immer unverbindlicher werden. Stabilisierung und Bewahrung des Bestehenden auf kurze Sicht ist alles, was die Politik im Angebot hat. Die Wähler haben genausoviel Angst davor, die richtigen Fragen zu stellen wie die Regierenden. Weil sie Angst vor den Antworten und ihren Konsequenzen haben. Aber spüren wir nicht alle, daß es so nicht weitergehen kann? Die Menschen schreien innerlich nach Orientierung. Gibt es einen Politiker, der sagt, wo es langgehen soll? Stabilisierung des Systems durch Blut, Schweiß und Tränen oder langfristige Überwindung des Systems?
Am Ende dieser Krise - wenn es nicht das Endspiel ist - werden uns die Wirtschafts- und die Geldpolitik der 30er Jahre in einem wesentlich milderen Licht erscheinen. Unsere Vorväter haben wenigstens die Luft aus den Bilanzen gelassen und radikale gesetzgeberische Konsequenzen aus der Krise gezogen (Trennbankensystem, Einlagensicherung, Zulassen von Bankpleiten, etc.). Damit haben sie sich 30 Jahre eines relativ stabilen wirtschaftlichen Wachstums erkauft. Heute hangeln sich Geld- und Wirtschaftspolitik von Bubble zu Bubble und die Blasen werden immer größer. Bei Wikipedia findet sich die folgende Definition für eine Seifenblase: “Eine Seifenblase ist ein dünner Film Seifenwasser, der eine hohle Kugel mit schillernder Oberfläche formt. Seifenblasen halten gewöhnlich nur für wenige Momente und zerplatzen dann entweder von allein oder bei der Berührung mit einem anderen Objekt.”
28.11.2009: Die US-Regierung plant das Abwrackgeld II für Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Geschirrspüler und Klimaanlagen. Vorbild ist die Abwrackprämie für Altautos (“Cash for clunkers”). Das soll wohl im nachhinein die Berechtigung der neomarxistischen Kapitalismuskritik beweisen. Um die Konsum- und Schuldenspirale in Gang zu halten, reicht es nun offenbar nicht mehr aus, daß die Konsumgüter bewußt mit kurzen Verschleißzyklen versehen werden. Es müssen staatliche Förderanreize hinzukommen, damit sie in noch völlig intaktem Zustand verschrottet werden können. Wie sagte es Paul Kirchhof: “Nicht Freiheit und Wettbewerb, sondern Prämien, Finanzanreize und staatlich kreditfinanziertes Wachstum gehören abgewrackt.”
Das Verhältnis zwischen Abu Dhabi und Dubai erinnert an das zwischen der Firma Johann Buddenbrook und der des mißratenen Schwiegersohnes Bendix Grünlich. Der Kredit von Dubai hängt gänzlich von der Kreditwürdigkeit Abu Dhabis und dessen Willen zu weiterer Unterstützung ab. Auf sich allein gestellt wäre Dubai nicht mehr zu retten.
27.11.2009: “Die Rentengarantie ist der reine Schwachsinn.” Thilo Sarrazin im Interview mit dem Handelsblatt v. 27.11.2009
Ist es nicht höchste Zeit, Thilo Sarrazin aus der SPD auszuschließen? Begründung: Denkt selbständig und nimmt kein Blatt vor den Mund.
Thilo Sarrazin - das bedeutet: klare Ansagen statt Kotau vor der “Political Correctness”. Ein Mann, der die Kritik auf sich zieht, aber nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern, weil es ihm um die Sache geht. Ein Politiker vom Format eines Franz-Josef Strauß oder Herbert Wehner. Eine aussterbende Spezies?
I’m much too proud, to walk away from something when it's dead.
@cri hat berechtigte Zweifel, “ob das volkswirtschaftliche „Geschäftsmodell“ des konsumgetriebenen Wachstums der vergangenen Jahrzehnte tragfähig ist. Kurzfristig mögen die Wetten darauf reflexartig immer wieder neu belebt werden, weil viele Marktteilnehmer nichts anderes kennen. Langfristig dagegen nehmen die Risiken zu.” Erinnerung an die Fakten, in: FAZ.NET v. 27.11.2009
26.11.2009: Auf Sand gebaut. Zahlungsschwierigkeiten wo man sie am wenigsten erwartet hat - im Übermorgenland. Wieder einmal ist eine Immobilienblase die Ursache des Übels. Der Stabwechsel vom Öl- zum Immobilienboom hat nicht geklappt. Die staatliche Projektentwicklungsgesellschaft Dubai World hat ihre Zahlungen eingestellt. Die Finanzierung der gewaltigen Prestigeprojekte in der Golfregion steht auf ähnlich wackeligen Beinen wie die der Eigenheime der Subprime-Schuldner in den USA. Während der liquiditätsgetriebenen Kreditblase sind mit billigen Krediten gewaltige Prestigebauten errichtet worden. Die Immobilienpreise stiegen ständig, das Geld der Kreditgeber saß immer lockerer und die Risiken wurden ignoriert. Die Pro-Kopf-Verschuldung der einheimischen Dubaier liegt bei 320.000 Dollar. It’s the same old story ... Man erinnere sich beispielsweise an den von Galbraith so anschaulich beschriebenen Immobilienhype im Florida der 20er Jahre. Wie immer in solchen Fällen sind die grotesken Übertreibungen im nachhinein für jedermann offensichtlich.
Das Ereignis hat Triggerpotential. Auf Dubai World entfallen drei Viertel der 80 Milliarden Dollar Staatsverschuldung des Emirates. Den größten Teil der Verbindlichkeiten von Dubai World halten Gläubiger aus der Region. Deutsche Bank verlieren 6,4 Prozent. Anders als angeschlagene britische Banken wie die RBS ist die Deutsche Bank aber gar nicht engagiert. Natürlich ist ein großer Teil der Risiken aus den nun gefährdeten Immobilienkrediten in Form von Verbriefungen international gestreut worden. Entsprechend groß ist das Ansteckungspotential. Die Flucht in Gold und Bundesanleihen hat bereits eingesetzt.
“Dubai steht stellvertretend für den riesigen, weltweiten Liquiditätsboom und in der Folge wird es in den Schwellenländern weltweit zu noch mehr Zahlungsausfällen kommen.” Nick Chamie, Leiter des Schwellenländer-Teams von RBC Capital Markets.
Es könnte sein, daß die Marktteilnehmer ihre sorglose Risikoeinstellung nun korrigieren. Alle Schuldner, die noch Leichen im Keller haben, könnte nun das Vertrauen der Märkte entzogen werden. Das System wankt wieder.
25.11.2009: Die haushaltspolitische Vollbremsung wird von der Schuldenbremse oder von den Kapitalmärkten erzwungen werden. Dann droht die Kürzung von Sozialleistungen. Diese bedenkenlose Schuldenwirtschaft ist in höchstem Grade unsozial.
24.11.2009: Aufschwung? Welcher Aufschwung? Das überraschend kräftige Wachstum des BIP im dritten Quartal von immerhin 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal ist in erster Linie dem Lageraufbau der Unternehmen zu verdanken (Wachstumsbeitrag von 1,5 Prozent). Konsum und Außenhandel haben negative Wachstumsbeiträge geliefert und die Investitionen haben - gestützt durch die von den Konjunkturprogrammen profitierenden Bauinvestitionen - 0,2 Prozent beigetragen. Das ist alles andere als ein selbsttragender Aufschwung. Wenn der Impuls vom Lagerhaltungszyklus verebbt, könnten die Wachstumsraten wieder negativ werden. In diesem Fall wird die Regierung nicht davon absehen, weitere konjunkturfördernde Maßnahmen zu ergreifen.
Oops, I did it again: In China steigen die Immobilienpreise und die Aktienkurse immer schneller. Es handelt sich (auch) hier um liquiditätsgetriebene Haussen. Die Geldpolitik der lockeren Hand fördert auch in China die Entstehung immer neuer Vermögenspreisblasen.
22.11.2009: Sobald das Regime niedriger Zinsen vorbei ist, werden sich die Finanzmärkte einem neuen Realitäts-Check nicht entziehen können. ... Stattdessen sind die Preise auch für risikoreiche Anlageklassen seit Jahresbeginn in die Höhe geschossen. Dies wird früher oder später korrigiert werden. ... Wenn es die Weltgemeinschaft jetzt nicht schafft, die Regulierung zu harmonisieren, wird sie es auch in Zukunft nicht schaffen. Dennis Snower: Das Grollen ist noch da, in: F.A.S. v. 22.11.2009.
“Diese Raffgier zerstört alles, und mich stimmt sehr nachdenklich, dass sie schon wieder um sich greift.” Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in einem Interview mit der BamS v. 22.11.2009.
19.11.2009: “Mir bereitet Sorge, daß wir wie Spieler immer wieder den Einsatz verdoppeln. Erst nach der Internetblase, dann nach der Immobilienblase und eventuell bald nach einer Asien-/Rohstoffblase. Wir arbeiten uns von Bubble zu Bubble und nehmen dabei immer größere Ausschläge in Form zunehmender Handelsungleichgewichte, Nettoverschuldungen und schiefen Einkommensverteilungen in Kauf, statt das globale Wirtschaftssystem einmal von Grund auf neu zu kalibrieren und die Bilanzen - sei es bei Verbrauchern oder Regierungen - zu bereinigen. Wir müssen wegkommen von Schulden finanzierten Handelsdefiziten in den Vereinigten Staaten und von den Kredit finanzierten Überschüssen in China.” Paolo Pellegrini von PSQR im Gespräch mit der F.A.Z.
18.11.2009: Die amerikanische Staatsschuld liegt nun bei mehr als 12 Billionen Dollar. $ 12.000.000.000.000 - that’s an awful lot of money. Auch die Zuwachsraten sind atemberaubend. Die Marke von 10 Billionen war erst im September 2008 überschritten worden. Das laufende Defizit liegt bei mehr als 10 Prozent des BIP. Dazu Präsident Obama aus Asien: “Ich werde ernste Schritte zur Verringerung des langfristigen Defizits unternehmen. Ein Wachstum, das durch Verschuldung angetrieben wird, kann dem Wohlstand Amerikas auf Dauer nicht nützlich sein.” Eine späte Einsicht. An awful lot of work ahead.
15.11.2009: Der beste politische Witz des Jahres war der Vorschlag, das Eigenheim unabhängig von seiner Größe und seinem Wert beim ALG II keiner Vermögensprüfung zu unterziehen. Ich dachte, es handle sich beim ALG II um einen bedarfsorientierten Transfer. Und wie steht es mit den laufenden Kosten der Luxuseigenheime? Jürgen Rüttgers mußte zur Vernunft mahnen: “Bei einer steuerfinanzierten Unterstützungsleistung ist eine Zwölf-Zimmer-Villa plus Gärtner nicht zu verantworten.”
14.11.2009: Money for nothing, cheques for free? Es laufen schon wieder gigantische Carry trades. Man nimmt billige Kredite in Dollar oder Pfund auf und investiert die Mittel im Euroraum. Dabei profitiert man nicht nur von der Zinsdifferenz, sondern auch von der scheinbar unaufhaltsamen Abwertung des Dollar und des Pfundes. Die Carry trades tragen ihren Teil zur Abwertung der Verschuldungswährungen bei. Bis die Blase platzt. Krise hin oder her, wir müssen hier und jetzt die Haushalte konsolidieren und den Ozean an Liquidität trockenlegen. Es war und ist eine Illusion, daß man diese historische Krise mit den Mitteln der Geld- und Fiskalpolitik auffangen kann, ohne damit das Weltfinanzsystem weiter zu destabilisieren.
13.11.2009: “Ich setze auf die Defizithaftung des Bundes.” Annelie Buntenbach, Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit am Freitag in Nürnberg.
12.11.2009: Die verstaatlichte Hypo Real Estate macht weiter Verluste. Allein im dritten Quartal 709 Mio. Euro. Dafür sind in erster Linie Wertberichtigungen im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Abschwung auf dem gewerblichen Immobilienmarkt verantwortlich. HRE-Chef Wieandt: “Das Marktumfeld bleibt schwierig.” Die Lage auf den Immobilienmärkten habe sich weiter verschlechtert. In der Krise stünden immer mehr Gebäude leer und verlören an Wert. Besonders kritisch sei die Lage in den Vereinigten Staaten, Südeuropa und Großbritannien (F.A.Z., 12.11.2009, Nr. 263 / Seite 15).
Back to the roots: Die Kurse der Anleiheversicherer Ambac und MBIA sind unter Druck. Nur unverbesserliche Optimisten glauben noch daran, daß die Unternehmen die auf sie zukommende Welle von Forderungen aus eigener Kraft werden bedienen können. Der Grund sind die wachsenden Zahlungsausfälle bei Hypothekarkrediten. Die Versicherer hatten in den letzten Jahren immer mehr strukturierte Hypothekenanleihen versichert. Aber keine Panik - der Staat wird die Anleiheversicherer schon retten; sie sind ja auch zweifellos systemrelevant. Zur Refinanzierung wirft die Fed eben wieder die Notenpresse an. How can we shelter us from the rest of the world?
Diesmal ist alles anders. Das sind die vier gefährlichsten Wörter auf dem Feld der Kapitalanlage. Sir John Templeton
11.11.2009: Antrittsrede von Wirtschaftsminister Brüderle. Er kündigte an, die Regierung werde einen Mediator einsetzen, der helfen solle, Kreditklemmen zu vermeiden. Auch werde die staatliche KfW-Bank künftig stärker ihrer Rolle als Mittelstandsfinanziererin nachkommen.
Gelbe Karte für Japan: Wenn die Regierung in diesem Jahr mehr als die im Haushaltsplan vorgesehenen 330 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnimmt, wird die AA- Einstufung der Bonität überprüft. Die Renditen japanischer Staatsanleihen sind derweil auf den höchsten Stand seit viereinhalb Monaten gestiegen.
Auch Großbritannien ist angezählt. Die Fähigkeit des Landes, die öffentlichen Haushalte im roten Bereich zu fahren, ohne die Zinsen und das Pfund unter Druck zu setzen, wird angezweifelt. Noch ein Konjunkturpaket und das Triple A-Rating ist in Gefahr. Siehe dazu: F.A.Z., 11.11.2009, Nr. 262 / Seite 21
10.11.2009: “Die Zahl der systemrelevanten Institute nimmt ab, aber die Systemrelevanz weniger Banken zu.” Markus Frühauf, F.A.Z., 10.11.2009, Nr. 261 / Seite 11
“Steuersenkungen sollten mittelfristig erst erwogen werden, wenn die Staaten wieder genügend Spielraum für Haushaltsmanöver erlangt haben.” EZB-Präsident Jean-Claude Trichet
Professor Sinn will die Regelleistung beim Arbeitslosengeld II regional staffeln. Das soll wohl bedeuten, Kürzung im Landkreis Görlitz und Erhöhung in München. Es gibt allerdings gar keine Daten über die regionalen Unterschiede in den Lebenshaltungskosten - ein Schönheitsfehler. Ich vermute, daß die interregionalen Preisunterschiede bei Aldi und KiK nicht ins Gewicht fallen. Textilschnäppchen sind in Dresden wahrscheinlicher als in Görlitz und Görlitz hat auch keinen Ikea-Markt. Das ist aber kein Thema, denn alle Arbeitslosen verfügen über einen PKW und genügend Geld für Benzin. Bleiben Dienstleistungen wie der Friseurbesuch und die von langzeitarbeitslosen Menschen häufig frequentierten Restaurantbetriebe. Si tacuisses, philosophus mansisses.
9.11.2009: “Ich bin nur ein Banker, der Gottes Werk verrichtet.” Lloyd Blankfein, Vorstandschef der Investmentbank Goldman Sachs
8.11.2009: “Fusion ist der Zusammenschluß von Unternehmen zum Abbau von Verlusten, die sie allein nicht gehabt hätten.” Wendelin Wiedeking in der F.A.Z. v. 17.2.2003
7.11.2009: Wirtschaftskrise - eine universelle Ausrede für wirtschafts- und finanzpolitische Fehlentscheidungen historischen Ausmaßes. Was vor der Krise falsch war, gilt in der Krise als die beste Medizin - aber nur, wenn die Dosis kräftig gesteigert wird. Schutzschirme und Rettungsbeihilfen sind in diesen Zeiten ebenso wohlfeil zu haben wie billiges Geld von der Zentralbank. Die Kurzarbeit erspart der Industrie jegliche Anpassung an die geänderte Nachfrage. Wenn die Nachfrage nach Covered bonds nicht ausreicht, springt eben die Zentralbank ein. Anything goes. Das ist Geld- und Finanzpolitik ohne Grundsätze und Maßstäbe. Die Nebenwirkungen in Form von zukünftigen Zins- und Tilgungslasten werden uns nur zu bald einholen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Inflationsentwicklung im Aufschwung vorübergehend ein wenig außer Kontrolle geriete. Nach den kurzatmigen Erfolgen der Kriseninterventionspolitik hat es derzeit jede Art von ordnungspolitischer Kritik an einzelnen wirtschaftspolitischen Maßnahmen besonders schwer, Gehör zu finden. Licet!
6.11.2009: Fannie Mae braucht noch mehr Geld vom Staat, weil immer mehr Schuldner der von dieser halbstaatlichen Verbriefungsagentur garantierten Darlehen ihre Zahlungen einstellen. Anders als eine private Bank in vergleichbarer Lage ändert Fannie Mae aber nichts an ihrer Risikopolitik im Neugeschäft.
3.11.2009: “Wir brauchen ein Zweijahresprogramm mit jährlich rund hundert Millionen Euro, um die Kapitalkosten der Terminals auszugleichen. Es liegt im Interesse der gesamten deutschen Volkswirtschaft, daß die Häfen reibungslos funktionierten, sobald die Konjunktur wieder anspringt. Deshalb darf trotz der Krise auch nicht am Ausbau der Häfen und des Hinterlandverkehrs gespart werden.” Detthold Aden, Präsident des Seehafenverbandes (F.A.Z. v. 3.11.2009, Nr. 255, S. 18)
Soffin-Chef Hannes Rehm hat vor einer Ausweitung der Finanzkrise gewarnt: “Wir müssen verhindern, daß die ökonomische Krise zu einer Krise der gesellschaftlichen Institutionen und der politischen Ordnung wird. Wenn wir nicht Lehren und Konsequenzen aus der Krise ziehen, dann ist es eine vertane Krise.”
Dazu zählte Rehm die Beseitigung regulierungsfreier Bereiche in der Bankwirtschaft, ohne aber eine generell höhere Regulierungsdichte anzustreben. “Staat und Bankenaufsicht müssen früher eingreifen können”, sagte er. “Wir müssen den Zustand überwinden, in dem Gewinne privatisiert werden und Verluste sozialisiert.” (F.A.Z., 03.11.2009, Nr. 255 / Seite 13).
29.10.2009: In perpetuum: Die Fed sorgt sich um die gewerblichen Immobilienkredite in den USA. Der durchschnittliche Leerstand in den US-Einkaufszentren liegt bei 10 Prozent. Die Konsumzurückhaltung schlägt durch. Viele Ladenketten sind bereits insolvent. Andere schließen Filialen. Die britische Regierung ist darauf aufmerksam geworden, daß die Bürger bis zur Halskrause verschuldet sind. Gemessen am verfügbaren Jahreseinkommen etwa doppelt so hoch wie die Deutschen. Jetzt wird durchgegriffen und zwar mit Richtlinien gegen die verantwortunglose Kreditvergabe der Banken. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, ...
28.10.2009: Der Traum von der Ownership society: Finis coronat opus
“All of us here in America should believe, and I think we do, that we should be, as I mentioned, a nation of owners. Owning something is freedom, as far as I’m concerned. It’s part of a free society. And ownership of a home helps bring stability to neighborhoods. You own your home in a neighborhood, you have more interest in how your neighborhood feels, looks, whether it's safe or not. It brings pride to people, it's a part of an asset-based to society. It helps people build up their own individual portfolio, provides an opportunity, if need be, for a mom or a dad to leave something to their child. It's a part of -- it's of being a -- it's a part of -- an important part of America.
Homeownership is also an important part of our economic vitality. If -- when we meet this project, this goal, according to our Secretary of Housing and Urban Development, we will have added an additional $256 billion to the economy by encouraging 5.5 million new home owners in America; …
Low interest rates, low inflation are very important foundations for economic growth. The idea of encouraging new homeownership and the money that will be circulated as a result of people purchasing homes will mean people are more likely to find a job in America. This project not only is good for the soul of the country, it's good for the pocketbook of the country, as well.
To open up the doors of homeownership there are some barriers, and I want to talk about four that need to be overcome. First, down payments. A lot of folks can't make a down payment. They may be qualified. They may desire to buy a home, but they don't have the money to make a down payment. I think if you were to talk to a lot of families that are desirous to have a home, they would tell you that the down payment is the hurdle that they can’t cross. And one way to address that is to have the federal government participate.”
Quelle: President George W. Bush addresses the White House Conference on Increasing Minority Homeownership at The George Washington University Tuesday, Oct. 15, 2002.
27.10.2009: Im Börsenfernsehen (ARD?) wurde ausführlich über den Case-Shiller-Hauspreisindex berichtet: Zum vierten Mal in Folge gestiegen, Stabilisierung des Immobilienmarktes zeichnet sich ab, die Banken atmen auf, etc. Kennt man.
Dazu paßt die AFP-Meldung von heute: Anteil der Subprime-Kredite in den Vereinigten Staaten wieder deutlich angestiegen. Laut einer Analyse der Fed ist der Marktanteil der schlecht besicherten Subprime-Kredite inzwischen wieder auf 20 Prozent gestiegen und hat damit das Niveau vor der Finanzkrise erreicht. Der Fed-Bericht weist allerdings auf einen wichtigen Unterschied hin: Fast 95 Prozent der neu vergebenen Immobilienkredite sind inzwischen durch den Staat abgesichert, weil sie über halbstaatliche Finanzierer wie Fannie Mae und Freddie Mac abgewickelt würden. Die private Kreditvergabe gerade an weniger zahlungskräftige Kunden ist hingegen fast auf Null gesunken. Die halbstaatlichen Verbriefungsagenturen übten inzwischen eine „beispiellose Stützungsfunktion für den Immobilienmarkt“ aus, heißt es in dem Fed-Bericht weiter. „Dieser Wandel bei der Immobilienfinanzierung schlägt sich auch nieder in der Art der Kundschaft, an die Kredite vergeben werden.“
Unter diesen Bedingungen sagt der Hauspreisindex überhaupt nichts aus. Der Markt wird um jeden Preis gestützt. Es ist völlig unfaßbar, daß allein durch den Einsatz der Verbriefungsagenturen das Subprime-Segment künstlich wieder auf alte Höhen zurückgeführt wurde. Welche Risiken kauft sich die Regierung da ein? Wer zahlt am Ende die Rechnung? Es hat doch seinen guten Grund, daß der private Verbriefungsmarkt für Subprime-Darlehen immer noch am Boden liegt, obwohl ansonsten an den Finanzmärkten wieder die alte Risikofreude zurückgekehrt ist.
Abyssus abyssum invocat: Wenn auf der makroökonomischen Seite neue Risiken schlagend werden, fallen die empfindlichen Schuldner wieder reihenweise um und die Fed kann erneut die Notenpresse anwerfen. Das Rad dreht sich immer schneller. Es ist nun höchste Zeit, den Kreislauf von Krisenbekämpfungsmaßnahmen, die in der nächsten Runde die Krise weiter anheizen, zu durchbrechen:
“Nachdem Regierungen und Zentralbanken mit extrem expansiven Fiskal- und Geldpolitiken auf die Krise reagierten, entstand sofort wieder das Risiko, daß sie sich erneut mit heißer Luft füllten” (@cri im FAZ.NET von heute).
26.10.2009: Magnum vectigal est parsimonia: Mit welchen Mitteln bekämpfen wir eigentlich die nächste Krise?
23.10.2009: Deutschland braucht eine konservative Partei.
22.10.2009: Der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, hat die bisherigen Fortschritte (welche?) bei der Bankenregulierung scharf kritisiert (F.A.Z., 22.10.2009, Nr. 245 / Seite 21). Bisher habe man lediglich die Banken mit höherer Eigenkapitalunterlegung besser gegen Risiken und künftige Krisenszenarien abgesichert. King plädiert nun für eine radikale Lösung: die Einführung eines Trennbankensystems. Das Dienstleistungsgeschäft der Banken als „Versorger“ der Volkswirtschaft mit Kapital soll von den spekulativen Bankgeschäften getrennt werden. Er will die Versorger so regulieren, daß sie nicht zusammenbrechen können. Die spekulativen Banken kann man dann getrost in die Insolvenz entlassen. Dazu Gouverneur King wörtlich: „Der Glaube, daß Regulierung spekulative Tätigkeit so absichern kann, daß es keinen Zusammenbruch gibt, ist eine Illusion.“ Das klingt nach altem Wein in neuen Schläuchen. Mit dem in den 30er Jahren in den USA eingeführten Trennbankensystem (Glass-Steagall-Act) wurde genau das versucht, was nun auch Mervyn King anstrebt. Ob das System stabiler wird, wenn man die Risiken umverteilt, ist nicht sicher. Davon abgesehen zeigen die jahrzehntelangen Bemühungen der Finanzlobby um die Aufweichung und Umgehung des Trennbankensystems, daß die Regulierer auch den Regulierungswiderstand in Betracht ziehen müssen. Und außerdem sind die systemischen Risiken, die in der Krise schlagend geworden sind, in erster Linie von den reinen Investmentbanken ausgegangen. Lehman und Bear Stearns waren Investmentbanken. Wenigstens müßte man die spekulativen Banken so regulieren und beaufsichtigen, daß sie nicht indirekt (über das Halten von ABS) Kreditrisiken eingehen. Aber selbst wenn sie das nicht tun, so können große Investmentbanken beispielsweise mittels Kreditderivaten Verflechtungen eingehen, die ihnen den Status der Systemrelevanz einschließlich der damit verbundenen moralischen Risiken ohne weiteres zukommen lassen. Das Trennbankensystem der USA war eine Fehlkonstruktion, weil die spekulativ orientierten Banken weniger intensiv reguliert und beaufsichtigt waren. Die Nachwirkungen dieses Systems haben zur Entstehung der Finanzkrise beigetragen. Wenn schon ein Trennbankensystem, dann muß das Segment mit den risikoreicheren Geschäften straffer reguliert und beaufsichtigt werden.
Das Zitat des Tages kommt von Manfred Schäfers (F.A.Z., 22.10.2009, Nr. 245 / Seite 11):
„Was den Banken die Zweckgesellschaft ist der Politik der Schattenhaushalt.“
Es ist ja offensichtlich, daß die Pläne der schwarz-gelben Koalitionäre materiell gleich mehreren bewährten Grundsätzen des Haushaltsrechtes widersprechen. Sie tun es, um ihre Steuersenkungen angesichts von Wirtschaftskrise und (selbst beschlossener) grundgesetzlicher Schuldenbremse realisieren zu können. Man will Ausgaben vorziehen, um im Jahr darauf eine günstigere Ausgangsbasis zu haben, so daß die von der Schuldenbremse erzwungenen Konsolidierungsschritte kleiner ausfallen können. Wer wagt es da noch, die Griechen für ihre Taschenspielertricks zu kritisieren?
Außerdem hat sich der IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer gegenüber der Bild-Zeitung zu den Hartz IV-Sätzen für Kinder geäußert:
“Höhere Hartz IV-Sätze für Kinder können dazu führen, daß sich Arbeit für einige Familien vergleichsweise weniger lohnt.”
So muß es sein! Bestraft die Kinder für ihre allzu faulen Eltern. Bekanntlich sind die meisten Langzeitarbeitslosen ja freiwillig arbeitslos. Man kann es, was den Bedarf der Kinder angeht, also ruhig bei den gewürfelten Prozentsätzen vom Regelsatz belassen. Die Psychologie dahinter ist klar: Siehst du dein Kind leiden, bemühst Du Dich um Arbeit (und du bekommst auch sofort welche). Geht es Deinem Kind zu gut, legst du dich in die soziale Hängematte. Kann es Menschen geben, die nicht nur arbeiten, um Geld zu verdienen?
21.10.2009: Investoren, die in einem überhitzten Markt kaufen, müssen sich darüber klar werden, dass es oft eine lange Zeit braucht, bis auch der Wert eines herausragenden Unternehmens den Preis erreicht, den sie dafür bezahlt haben. Warren Buffet
17.10.2009: Fundstücke
Die Krise hat widerlegt, dass Märkte immer effizient sind, aber die Falsifikation bedeutet eben nicht, daß sie nie, sondern dass sie bisweilen nicht effizient sind. Bundesbanpräsident Weber in einer Rede vor jungen Ökonomen (zitiert nach F.A.Z., 17.10.2009, Nr. 241 / Seite 12)
Das Problem ist, daß man immer erst hinterher weiß, in welcher Phase die Märkte sich befunden haben.
General Electric spürt nichts vom Aufschwung (F.A.Z., 17.10.2009, Nr. 241 / Seite 15): Der amerikanische Mischkonzern hat mit seinen jüngsten Zahlen die Erwartungen enttäuscht. Die sinkenden Auftragseingänge dämpfen die Hoffnungen auf eine schnelle Erholung. Der Umsatz fiel im dritten Quartal auf 37,8 Milliarden Dollar. Das ist ein Fünftel weniger als noch vor einem Jahr. Das Unternehmen mit seinen mehr als 300 000 Mitarbeitern gilt angesichts seiner breiten Angebotspalette als Gradmesser für die gesamte Wirtschaft.
Bank of America mit überraschend hohem Verlust: Die BoA hat trotz hoher Erträge aus dem Wertpapiergeschäft im dritten Quartal einen Nettoverlust von rund einer Milliarde Dollar hingelegt. Der Grund? Hohe Ausfälle bei Verbraucherkrediten und Kreditkarten, die auf die weiter steigende Arbeitslosigkeit zurückgeführt werden. Dazu der scheidende Vorstandsvorsitzende Lewis: “Eine fast zweistellige Arbeitslosenquote ist schlechte Medizin für eine Bank, die Verbrauchern dient.” Quelle: F.A.Z., 17.10.2009, Nr. 241 / Seite 17
16.10.2009: Fundstücke
Ad calendas graecas? “Die Finanzkrise ist ein Ereignis, das wohl nur einmal im Jahrhundert stattfindet.” Alan Greenspan
Wer hält dagegen?
“In Europa ist das Bild etwas unscharf. Aber in Amerika erwarten wir auf jeden Fall starke Inflation spätestens von 2011 an.” Andreas Höfert - Chefökonom der Schweizer Großbank UBS (F.A.Z., 16.10.2009, Nr. 240 / Seite 21).
Mit dieser Erwartung steht die UBS nicht alleine da. Ein weiterer Beleg dafür sind die anziehenden Kurse für inflationsgeschützte Dollaranleihen.
Finanzkrise - war da was? Wer noch daran glaubt, daß den Investmentbankern der Schock in die Glieder gefahren ist, daß sie nun fürs erste ihre Risikobereitschaft zügeln, der sei auf den Beitrag “Banken nutzen die Lizenz zum Gelddrucken” von @cri im FAZ.NET verwiesen.
Die Banken hatten noch nie so günstige Rahmenbedingungen, um ihre Gewinne zu steigern, wie jetzt in der Krise. Das ist nicht zuletzt eine Folge der außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen, der gelockerten Bilanzierungsregeln und der expliziten und impliziten Staatsgarantien für das Bankgewerbe. Lehren aus der Krise? Fehlanzeige: Es wird wilder gezockt als jemals zuvor und an der Spitze der Bewegung steht Goldman Sachs. Dazu der Autor: “Die großen Banken handeln ungeachtet allen Geschwätzes über mögliche Regulierungen und Beschränkungen des Risikoappetits, der sich unter anderem aus den ex- oder impliziten Staatsgarantien ableitet, derivative Produkte in Nominalwerten nie zuvor gesehenen Ausmaßes. Dabei sind die Risiken nicht nur hoch konzentriert auf wenige Banken, sondern einzelne Institute reizen ihre Bilanzen auf das Extremste aus.” Übrigens geben die großen Banken enorme Summen für Lobbyaktivitäten aus. Kritiker sprechen bereits von einem “Staatsstreich der Finanzindustrie”.
15.10.2009: Fundstücke
Ein Jahr nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers zeichnet sich ab, dass Amerikas Banken ihren Mitarbeitern in diesem Jahr höhere Gehälter zahlen als je zuvor. Schätzungen zufolge wollen die 23 wichtigsten Institute ihren Mitarbeitern insgesamt 140 Milliarden Dollar zahlen. Das sind 143.400 Dollar pro Mitarbeiter und ein Fünftel mehr als im vergangenen Jahr. Quelle: F.A.Z., 15.10.2009, Nr. 239 / Seite 13
Difficile est saturam non scribere - Es ist schwierig, (darüber) keine Satire zu schreiben. Juvenal (nicht der brasilianische Fußballer)
14.10.2009: In irgendeiner Fernsehrunde vor der Wahl hat Gregor Gysi gesagt, daß die Linke die Banken auch gerettet hätte (“Machen wir uns doch nichts vor!”). Das ist der Beweis: Wir haben es nicht mir einer revolutionären Partei zu tun.
13.10.2009: Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird. Christian Morgenstern
9.10.2009: Die beiden halbstaatlichen Verbriefungsagenturen Fannie Mae und Freddie Mac brauchen angesichts der ungewissen Konjunkturaussichten sowie der Entwicklung der Häuserpreise und Hypothekenausfälle wahrscheinlich weitere Mittel aus dem Sonder-Hilfsprogramm der Regierung. Von dem Finanzrahmen des Hilfsprogramms in Höhe von 200 Milliarden Dollar sind bereits 96 Milliarden Dollar ausgeschöpft. (Reuters in FAZ.NET v. 9.10.2009)
7.10.2009: Auch eine Systemkrise bedeutet einen Schritt vorwärts, wenn sie nur gründlich und endgültig ist. frei nach Max Planck
6.10.2009: Aktiengesellschaft: raffinierte Einrichtung zur persönlichen Bereicherung ohne persönliche Verantwortung. Ambrose Bierce
5.10.2009: Fundstücke
Der Bau von Luftschlössern kostet nichts. Aber ihre Zerstörung ist sehr teuer. Francois Mauriac
Für verlorenes Vertrauen gibt es kein Fundbüro. Ernst Ferstl
4.10.2009: Man sollte sich nicht schlafen legen, ohne sagen zu können, daß man an dem Tage etwas gelernt hätte ... was ich unter dem Lernen verstehe, ist Fortrücken der Grenzen unserer wissenschaftlichen oder sonst nützlichen Erkenntnis; Verbesserung eines Irrtums, in dem wir uns lange befunden haben; Gewißheit in manchen Dingen, worüber wir lange ungewiß waren; deutliche Begriffe von dem, was uns undeutlich war; Erkenntnis von Wahrheiten, die sich sehr weit erstrecken usw. Was dieses Bestreben nützlich macht, ist, daß man die Sache nicht flüchtig vor dem Lichtausblasen abtun kann, sondern, daß die Beschäftigungen des ganzen Tages dahin abzwecken müssen ... Georg Christoph Lichtenberg
27.9.2009: Videant consules ne quid res publica detrimenti capiat.
26.9.2009: Gäbe es eine Partei, die glaubwürdig verspricht (und sei es mit Blut, Schweiß und Tränen), unser Geld zusammenzuhalten, ich würde sie wählen.
13.9.2009: Schon mal von der Abwrackprämie für Schiffe gehört (F.A.S. v. 13.9.2009, Nr. 37, S. 38)? Leider ist das kein Witz, sondern eine Forderung von Europas Werften. Die Begründung ist mindestens so gut wie die der Abwrackprämie für alte Autos. Der Branche geht es schlecht, das reicht doch als Begründung!
12.9.2009: Worin liegt das Strukturproblem der deutschen Volkswirtschaft? Sie ist extrem exportorientiert und damit aufs Engste mit der wirtschaftlichen Entwicklung in den Abnehmerregionen verbunden. Das sich daraus makroökonomische Ansteckungsrisiken ergeben können, ist offensichtlich. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat dies mit aller Deutlichkeit gezeigt. Die Exportabhängigkeit ist deswegen ein Problem, weil sich daraus Konflikte mit den Sicherheitszielen der Menschen ergeben. Wenn es richtig ist, daß wir stärker stabilitäts- und sicherheitsorientiert sind als beispielsweise die Menschen in den angelsächsischen Ländern, dann müßte die deutsche Seite darauf dringen, auf dem internationalen Parkett die Voraussetzungen für eine stabile und nachhaltige Entwicklung der Finanzmärkte zu schaffen (denn hier helfen nur abgestimmte Regulierungen). Das tut unsere Regierung natürlich auch, aber sie wird damit aller Voraussicht nach keinen durchschlagenden Erfolg haben, weil in den Partnerländern nach wie vor eine größere Risikobereitschaft in der Bevölkerung vorherrscht. Dann bleiben aber auch die Ansteckungsrisiken bestehen.
Es wäre also aus deutscher Sicht logisch, die realwirtschaftliche Integration der deutschen Volkswirtschaft in die Weltwirtschaft mit den Mitteln der strategischen Handelspolitik (Gewichtung der Handelsräume) zu begrenzen. Konkret kann das bedeuten, den Außenhandel mit Ländern, deren Finanzsektor unzureichend reguliert ist, mit möglichst weichen - um keine Vergeltungsreaktionen zu provozieren - handelspolitischen Maßnahmen zu beschränken. Dabei kommt es darauf an, sowohl die Exporte in die Risikoländer als auch die Importe aus diesen Ländern zu beschränken, denn die deutschen Exporte müssen ja umgelenkt werden und wir sollten keine Handelsstreitigkeiten mit den Zielländern für die Handelsintensivierung provozieren. Mit diesen Zielländern müssen sowohl die Exporte als auch die Importe gesteigert werden. Im Endeffekt läuft dies auf die Schaffung von handelspolitischen Stabilitätszonen hinaus, wobei der EU-Raum der Stabilitätskern der Weltwirtschaft werden könnte. Ein Beispiel: 1 Million Euro Handelsvolumen mit Frankreich ist für Deutschland wertvoller als dasselbe Volumen im Außenhandel mit China oder den USA, da mit geringeren Ansteckungsrisiken verbunden.
Was den Finanzsektor angeht, so müßte die Integration des deutschen Finanzsektors in das Weltfinanzsystem so weit zurückgedreht werden, daß die direkten finanzwirtschaftlichen Ansteckungsrisiken möglichst wirksam begrenzt werden.
Ein solches interventionistisches Programm, das mit den Grundsätzen des offenen Welthandels durchaus in Konflikt steht, wäre natürlich nur eine zweitbeste Lösung - die ist aber die beste, wenn die erstbeste (also die international abgestimmte harsche Regulierung des Finanzsektors) nicht zu haben ist. Ich gebe aber zu, daß dieses Programm außenpolitische Konsequenzen hätte, die über die Außenwirtschaftspolitik hinausreichen.
Eine Alternative könnte theoretisch die Schaffung von Budgetpuffern sein, um die Schwankungen der weltwirtschaftlichen Aktivität abzufedern. Überschüsse aus den guten Zeiten könnten es uns ermöglichen, etwa das Kurzarbeitergeld in Krisensituationen zu verlängern, ohne daß sich daraus eine untragbare Belastung der öffentlichen Haushalte ergäbe. Dagegen spricht: Mit den vorhandenen Institutionen erscheint es schwer vorstellbar, daß der Bundeshaushalt wie ein Ansparkonto eingesetzt werden kann. Und außerdem haben wir gerade in den Abgrund einer systemischen Finanzkrise geschaut. Die nächste Krise kann so schwer sein, daß die Haftungsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit des Staates nicht mehr ausreichen, um sie abzufedern. Dann kommt es zu prozyklischen Effekten, die die Krise verschärfen - man werfe einen Blick nach Lettland. Also besser vorbauen.
11.9.2009: Ludwig Poullain, einer der letzten Bankiers der alten Schule, hat sich vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf unter anderem mit den Inflationsgefahren und der Gier eines Teils seiner heutigen Kollegen befaßt (F.A.Z. v. 11.9. und wz newsline vom 9.9.2009). Daraus einige Höhepunkte:
„Was mich heute das Fürchten lehrt, ist die Beobachtung des unbekümmerten Fortsetzens der Übungen der Ertragsbesessenen. Die Naturgewalt der Gier wird sich durch staatliche Dekrete nicht zügeln lassen.“
“Nach Julius Schäffer, dem ersten Finanzminister der Bundesrepublik, hat keine einzige Regierung mehr einen Schuldenabbau geschafft. Nun ist die Staatsverschuldung so weit gesteigert worden, daß die kommenden Regierungen wohl keine andere Möglichkeit sehen werden, als sie durch eine schleichende Inflation zu reduzieren. Ich halte das politische System für unfähig, die Staatsverschuldung in großem Umfang zurückzuführen. Was also bleibt, außer dies über Geldentwertung zu erreichen? Wir werden uns an Inflationsraten von fünf Prozent gewöhnen müssen.“
Möglicherweise ergibt sich daraus eine Aufgabe für die gerade aufgewertete G20. Man könnte gemeinsam eine kontrollierte Inflationierung der Weltwirtschaft verabreden. Schließlich sind die lästigen Staatsschulden kein rein deutsches Problem.
2.9.2009: „Wenn überhaupt von einer Erholung die Rede sein kann, dann ist sie nicht nachhaltig. Diese Rezession erinnert an den Absprung von einer Skischanze: ein kurzfristiger Impuls schafft etwas Auftrieb, der aber letztendlich nur in einen um so steileren Sinkflug mündet.”
Kevin Harrington, geschäftsführender Direktor des Makro-Hedgefonds Clarium in einem Gespräch mit Bloomberg News, zitiert nach FAZ.NET v. 2.9.2009.
Nachtrag: Übrigens ist der Welthandel volumenmäßig bis August 2009 um 40 Prozent zurückgegangen. Es wird nicht nur mengenmäßig viel weniger gehandelt, auch die Preis im Außenhandel sind stark rückläufig.
1.9.2009: “Eine provozierende Sicht auf die Finanzkrise” (F.A.Z. v. 27.8., S. 20) präsentierten die beiden MIT- Ökonomen Ricardo Caballero und Pablo Kurlat in Jackson Hole. Die beiden haben über die gängigen Erklärungsansätze (laxe Geldpolitik, schlechte Regulierungen oder eine zu hohe Verschuldung von Finanzhäusern) hinaus verschiedene Verstärker identifiziert, die aus der Immobilienmarktkrise eine Finanzkrise gemacht haben. Als da wären:
- böse Überraschungen aufgrund der Komplexität des modernen Finanzsystems: Es sei zu kompliziert, alle möglichen Verbindungen zwischen allen Märkten und Weltregionen (die ja auch nur in einer schweren Krise kritisch werden) zu verstehen. Ein Beispiel sind die Anleiheversicherer (“Monoliner”), die im großen Stil strukturierte Wertpapiere versichert hatten.
- die Konzentration von Risiken bei einigen hochverschuldeten Finanzhäusern (wie z.B. der AIG, wobei eine großer Verschuldungshebel per se noch nicht als Problem angesehen wird) und nicht zuletzt
- “eine verspätete und unangemessene Reaktion der Politik”.
Neue Finanzinstrumente und Handelspraktiken bergen nach Caballero und Kurlat anfangs immer das Potential für “große Verwerfungen und Verwirrung”. Aber die Marktteilnehmer würden ihre Lektion aus den anfänglichen Betriebsunfällen lernen und die neuen Instrumente schließlich souverän beherrschen.
Die Rolle der Politik in der aktuellen Krise wird von den beiden MIT-Ökonomen negativ eingeschätzt. Man habe das “Zeitfenster” wegen des moralischen Risikos und politischer Einschränkungen verpaßt. Erst a.L. sei die Politik ausreichend systemisch und aggressiv geworden.
Aus dieser Diagnose ergibt sich als Therapie scheinbar zwingend die Forderung nach einer staatlichen Versicherung für die Bilanzrisiken von Finanzunternehmen. Die Notenbanken sollen ihnen gegen Gebühr sogenannte “handelbare Versicherungskredite” (tradable insurance credits, TIC) zur Verfügung stellen, die nicht nur entfernt an die CDS (Credit Default Swaps) erinnern. Besonders große oder hoch verschuldete, also systemrelevante Finanzhäuser sollen gar gezwungen werden, einen bestimmten Bestand an TIC zu erwerben. In einer systemischen Krisensituation (und nur dann) können die Banken ihre TIC dann in Garantien der Notenbanken umwandeln. Der Vorteil der TICs gegenüber dem herkömmlichen diskretionären Krisenmanagement ergibt sich aus den geringeren Wirkungsverzögerungen. Die Regierung oder die Notenbank dekretieren, daß mal wieder Systemkrise ist und schon greifen die Garantien. Eine allgemeine Vertrauskrise kann dann gar nicht mehr entstehen. Alle systemischen Risiken sind bei der allmächtigen und gar nicht fehlbaren Notenbank konzentriert.
Was ist davon zu halten? Die beiden Wirtschafswissenschaftler wollen das politische Krisenmanagement gewissermaßen institutionalisieren. Das läuft frei nach Trotzki auf eine Theorie des permanenten Krisemanagements hinaus. Das von ihnen vorgeschlagene System könnte in der Tat schneller reagieren als ein System mit diskretionären Entscheidungen politischer Instanzen. Aber wie bei jeder Versicherung gibt es auch hier ein moralisches Risiko. Wenn es eine unbestreitbare Lehre aus der Finanzkrise gibt, dann die, daß staatliche Garantien für die Garantieempfänger eine Einladung zu einer unverantwortlichen Risikopolitik sind (man denke nur an Fannie und Freddie, die IKB und manche deutsche Landesbank). Mit den TICs im Rücken könnten Risiken weiterhin bedenkenlos bei einzelnen Adressen konzentriert werden und die Marktteilnehmer brauchten auch nicht länger zu versuchen, das System oder die Rolle einzelner Teilmärkte oder Marktteilnehmer darin zu verstehen. Strukturierte Anleihen könnten wieder unbedenklich gekauft oder weiterverpackt werden, wenn sie nur das Gütesiegel einer Ratingagentur tragen. Warum sollte sich ein Investor überhaupt noch ein eigenes Urteil bilden? Es gibt doch die Garantien. Und dann auch noch vom Staat.
Diese Therapie ist unverantwortlich, denn sie vergrößert das Risiko zukünftiger Rückfälle des Patienten ganz enorm. Und sie ergibt sich auch nicht zwingend aus der Diagnose der beiden MIT-Volkswirte. Wenn die Politik mit dem Krisenmanagement überfordert ist (was als These diskussionswürdig ist, denn auch politische Instanzen können dazulernen), dann wäre es genauso logisch, die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Systemkrisen zu senken, also die Komplexität und die Risikokonzentration bewußt abzubauen. Das ist sicher mühsamer als mit Garantien um sich zu werfen. Aber diese Aufgabe wäre des Schweißes der Edlen wert. Denn das eigentlich Fatale an den TICs ist, daß sie auch die Anreize für die Politiker vermindern, das Finanzsystem durch angemessene Regulierungen einzuhegen und damit krisenfester auszustellen.
Nach den Erfahrungen der letzten 12 Monate an den Finanzmärkten wäre es ein Spiel mit dem Feuer, ohne größere Änderungen am Regulierungsrahmen und in den Organisationskulturen der großen Finanzhäuser wieder zur Tagesordnung überzugehen. Nur zu bald würde an den Märkten wieder ein großes Rad gedreht, würden Finanzinnovationen wie bisher gleich auf breitester Front eingesetzt. Wir können aber nicht einfach so weiter machen, auch und gerade nicht mit einem regelgebundenen Krisenmanagementsystem im Hintergrund. Das Provozierende an diesem Vorschlag ist seine Weigerung, die Ursachen der Krankheit anzugehen. Die TICs sind ein Medikament, das die Symptome lindern kann, das aber auch zum Wiederausbruch der Krankheit beitragen und die Schwere der Krankheit beeinflussen kann. Die Beherrschbarkeit von systemischen Finanzkrisen könnte sich als Kontrollillusion entpuppen.
29.8.2009: Konsumismus oder Kommunitarismus? Amitai Etzioni stellt sein Modell einer “florierenden Gesellschaft vor” (F.A.Z., 29.08.2009, Nr. 200 / Seite 7). Die Finanzkrise könnte der Anlaß zur Umkehr werden. Es gibt gute Argumente dafür, den Pfad der überzogenen Konsumorientierung zu verlassen, und zwar nicht nur ökologische. Wir machen uns vor, daß Konsumgüter der Befriedigung höherer Bedürfnisse dienten. Schenkt einander Aufmerksamkeit statt Diamanten und Flachbildschirme! Auch das Pro-Kopf-Einkommen unterliegt dem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Die entscheidende Frage sei nicht, wie man Gesetze zur besseren Kontrolle der Märkte verabschiedet. Entscheidend ist die Frage, was ein gutes Leben ausmacht. Es geht um die Überwindung der Konsumorientierung und die Zuwendung zur Befriedigung höherer menschlicher Bedürfnisse mit gemeinschaftsorientierten und transzendenten Zielsetzungen. Auf der Maßnahmenebene bietet der Autor: Beschränkung von Überstunden, mehr Teilzeitarbeit, flexiblere Arbeitszeiten, Steuern auf “zu große” Häuser, Subventionierung kleiner Autos sowie die Beschränkung von Managerbezügen. Aber das sind gewissermaßen nur flankierende Maßnahmen. Etzioni setzt in erster Linie auf die spontane Erkenntnis der Bürger. Der Optimist.
21.8.2009: Der Dax schnellt am Freitagnachmittag „nach überraschend guten Daten vom amerikanischen Immobilienmarkt“ weiter nach oben und baute sein Plus auf fast drei Prozent aus (siehe FAZ.NET von heute). Die Verkäufe bestehender Häuser in Amerika seien im Juli um 7,2 Prozent gestiegen und „haben damit jede Schätzung übertroffen“. Händler werteten dies als ein Zeichen für eine Belebung auf dem Häusermarkt. Quid sit futurum cras, fuge quaerere.
In der F.A.Z. Medienschau wurde gleichzeitig die Reuters-Meldung zitiert nach der die Zahlungsverzüge bei Hypotheken in den Vereinigten Staaten auf ein Rekordhoch gestiegen seien. So viele Bürger seien mit der Rückzahlung ihrer Hypothekenschulden in Verzug wie noch nie. Nahezu jeder achte sei im zweiten Quartal überfällig oder befinde sich im Prozeß der Zwangsvollstreckung, hatte der Verband der Hypothekenbanken am Donnerstag mitgeteilt. Vor allem in den von der Finanzkrise besonders hart getroffenen Bundesstaaten Kalifornien, Florida, Arizona und Nevada komme es überdurchschnittlich häufig zu Zwangsvollstreckungen. Ein Ende der Ausfälle sei wegen der steigenden Arbeitslosigkeit nicht absehbar.
Fast 12,5 Prozent aller privaten Hypotheken für Einfamilienhäuser werden also nicht mehr ordnungsgemäß bedient. Nach den Erfahrungen aus vergangenen Zyklen wäre diese Quote schon allein für die Subprime-Kredite ein rekordverdächtig hoher Wert. Außerdem steigt die Ausfallrate sprunghaft an. Im zweiten Quartal waren es noch weniger als 9 Prozent. Übrigens gehen gerade auch die Ausfallraten bei den gewerblichen Hypotheken durch die Decke.
Mittlerweile sind also auch viele Schuldner mit einer ursprünglich guten Kreditwürdigkeit in Schwierigkeiten. Derweil steht der Dax kurz vor einem Jahreshoch, die Regierungen loben sich für ihr gutes Krisenmanagement (mit den Abwrackprämien als großem Schlager) und die Investmentbanken haben Milliarden für die nächst Bonusrunde zurückgestellt.
John Kenneth Galbraith hat das kollektive Erinnerungsvermögen der Finanzmärkte einmal mit 10-15 Jahren veranschlagt. Ich würde sagen, heute sind es etwa zwei Quartale.
19.8.2009: Fitch warnt vor Risiken bei Immobilienbanken (F.A.Z., 19.08.2009, Nr. 191 / Seite 17). Die Ratingagentur Fitch ist besorgt über das Ausmaß der Verschlechterung in manchen Segmenten des gewerblichen Immobilienmarktes und über die Folgen für Banken. Sorgen bereiten den Analysten von Fitch vor allem die Immobilienmärkte Spaniens, Großbritanniens und Irlands. Eine neue Abschreibungswelle rollt auf die schon angeschlagenen deutschen Immobilienfinanzierer zu (Commerzbank, Eurohypo, Hypo Real Estate, Aareal Bank und nicht zuletzt bestimmte Landesbanken). Fluctuat nec mergitur?
17.8.2009: Die Rezession ist offiziell zu Ende. Der Jubel über den Wachstumsschub von 0,3 Prozent gegenüber dem 1. Quartal ist groß. Es sollte aber doch bekannt sein, daß die BIP-Quartalszahlen oft im nachhinein korrigiert werden. Ob es am Ende plus oder minus 0,3 Prozent werden, das liegt im statistischen Unschärfebereich. Immerhin kann man sagen, daß die harten Zahlen nun wieder besser im Einklang mit den Prognosen stehen.
Die Krisenbekämpfungsstrategie der Bundesregierung kann man mit einem privaten Haushalt vergleichen, der wegen Arbeitslosigkeit ein Drittel seines Einkommens verliert. In der Hoffnung darauf, bald wieder Arbeit zu finden, nimmt dieser Haushalt nicht die geringsten Einschränkungen bei seinen Konsumausgaben vor. Im Gegenteil, sie lassen noch den Hof pflastern, kaufen sich ein neues Auto und unterstützen Freunde und Verwandte. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen individueller und kollektiver Rationalität, aber das Ganze bleibt eine Wette auf ein gutes Ende.
Der BMF bei Anne Will. Alternativen zur Rettung der Hypo Real Estate? Gab es nicht. Leider muß man das immer wieder erklären. Die Bank war eindeutig systemrelevant, schon wegen ihrer Rolle als Pfandbriefemittent. Hinzu kam der äußerst kritische Zeitpunkt ihrer Schwierigkeiten. Ich kann es nicht beweisen, aber mein Gefühl sagt mir, daß die Folgen ihres Untergangs schlimmer als die der Lehman-Insolvenz gewesen wären. Politisch gab es jedenfalls keine Alternativen. Weber und Sanio hatten sich im Namen ihrer Behörden eindeutig und mit guten Argumenten positioniert. Keine Bundesregierung kann dies einfach beiseite schieben. Vorstellen kann man sich höchstens, daß die Bundesregierung eine Bank rettet, obwohl die Bafin und die Bundesbank abgeraten haben. Unabsehbar waren die Schwierigkeiten der Hypo Real Estate aber nicht. Sie war besonders exponiert und der Lehman-Zusammenbruch kam nicht aus heiterem Himmel. Es gab in den Monaten davor eine ganze Kette von Warnsignalen, z.B. Bear Stearns, Fannie und Freddie, die steigenden Risikoprämien. In den Monaten vor dem 15. September hätte man noch viele Möglichkeiten gehabt, sein Haus wetterfest zu machen, z.B. kurzfristige Refinanzierungen durch langfristige ersetzen.
Wenn man die Probleme bei der IKB als Ausgangspunkt nimmt, dann dauert die Finanzkrise nun schon mehr als zwei Jahre. Die Krise ist alt geworden. Es scheint, als hätte sie an Kraft verloren. Oder macht sie nur eine Atempause? Welcher Dramaturgie folgt die Krise? Aus welcher Richtung kommt der nächste Schlag?
Und was will das Volk? Daß die Investmentbanker weniger verdienen. Im übrigen aber auch, daß das System möglichst ohne große Anpassungslasten für die Bevölkerung geflickt wird und dann alles so weitergeht wie gehabt. Gefragt sind jetzt politische Krisenmanager ohne Visionen. Das Vorbild könnte Helmut Schmidt während der Hamburger Flutkatastrophe abgeben. Fast wünscht man sich, wir hätten es “nur” mit einer Naturkatastrophe zu tun.
12.8.2009: Die Krise bei den US-Gewerbeimmobilien spitzt sich zu. Nach Information von Realpoint Research sind die unerfüllten Zahlungsverpflichtungen im Juli bei CMBS den zehnten Monat in Folge gestiegen. Von Mai auf Juni haben sie geradezu sprunghaft zugelegt. Das Unternehmen erwartet, daß sich der Trend fortsetzen wird und daß die Zahlungsausfälle bis Ende des Jahres einen Umfang von 50 bis 60 Milliarden Dollar erreichen könnten. Die Ausfälle bei den gewerblichen Immobilienfinanzierungen in den USA werden neben den CMBS-Gläubigern insbesondere auch kleine und mittelgroße US-Banken treffen. Die Obama-Administration und die Fed reden nicht darüber, aber sie sind sehr besorgt. Das ganze wird sich nach dem von der ersten Subprime-Krise her bekannten Verlaufsmuster abspielen. Die CMBS-Papiere werden herabgestuft, es entsteht Abwertungsbedarf in den Bilanzen, die Kreditvergabe für gewerbliche Projekte wird noch weiter eingeschränkt, die Immobilienpreise fallen noch stärker, die CMBS-Papiere werden herabgestuft, usf. ... alles wie im Lehrbuch. Einen beachtlichen Teil der Papiere hält allerdings inzwischen die Fed selbst. Das entsprechende Ankaufprogramm soll sogar ausgedehnt werden. Kein Interessenkonflikt mit den geldpolitischen Aufgaben? Später werden wir dann auch sehen, welche Adressen an den internationalen Finanzmärkten besonders betroffen sind. Es würde mich nicht wundern, wenn mal wieder die eine oder andere Landesbank dabei wäre. Was dann kommt? Neue Rettungsprogramme, neue Staatsschulden. Die letzte Runde der Krise könnte sich bei den Staatsanleihen abspielen.
8.8.2009: “Neun amerikanische Banken haben 175 Milliarden Dollar Staatsgeld erhalten, 81 Milliarden Dollar Verlust ausgewiesen - und 33 Milliarden Dollar Bonus gezahlt.” Quelle: F.A.Z., 08.08.2009, Nr. 182 / Seite 18
2.8.2009: Die Credit Default Swaps (CDS) haben eine fatale Rolle bei der Entstehung der Krise gespielt. wurden. Die Verteilung von Risiken auf viel zu viele Schultern mittels dieser handelbaren Kreditabsicherungen setzte einen Anreiz, das Gesamtrisiko des Finanzsystems gewaltig zu erhöhen. Lesenswert dazu ist das Buch der Finanzjournalistin Gillian Tett (2009): Fool's Gold. How unrestrained Greed corrupted a Dream, shattered Global Markets and unleashed a Catastrophe. London (Little, Brown Book Group). Das Buch ist aus der Perspektive von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern der Großbank J.P. Morgan geschrieben. Siehe dazu auch die Besprechung von Braunberger in der F.A.S. (“Das Gold der Toren”).
30.7.2009: Die Krise ist vorbei DIE ZEIT, 30.07.2009 Nr. 32 - 30. Juli 2009
17.7.2009: Die hohen Gewinne der Investmentbanken (aus dem Emissionsgeschäft mit Staats- und Unternehmensanleihen) verstellen den Blick auf die Probleme des Bankensektors. BoA und Citigroup melden für das zweite Quartal massiv gestiegene Kreditausfälle. Dazu Kenneth Lewis, Chef der BoA: „Vor uns liegen noch schwere Zeiten: Die Wirtschaftskrise, steigende Arbeitslosenzahlen und eine sich verschlechternde Kreditqualität.” (FAZ.NET v. 17.7.2009).
12.7.2009: Gerald Braunberger weist in seinem Bericht vom internationalen Finanzmarkt (F.A.Z.) auf die verbliebenen Risiken für den Bankensektor hin. Die strategische Rolle der Banken im Konjunkturverlauf beschreibt er wie folgt: “Banken brauchen eine gute Konjunktur, um im Kreditgeschäft gut abzuschneiden. Andererseits braucht die Konjunktur aber auch Banken, die in der Lage sind, Kredite zu vergeben - an Unternehmen, die realwirtschaftliche Projekte finanzieren wollen, und nicht notwendigerweise Kredite für die Finanzierung kurzfristiger Spekulationen, deren Gewinne privatisiert, deren Verluste aber sozialisiert werden.”
10.7.2009: Wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte, sollen nun auch die Kreditversicherungen mit Milliarden-Bürgschaften aus dem Deutschlandfonds gestützt werden. Der Staat wird gegen Gebühr die Deckung aufstocken, wenn private Kreditversicherer ihren Anteil am Risiko unter 50 Prozent senken. Auch den unabhängigen Leasinggesellschaften soll mit Bürgschaften geholfen werden, weil sie nur noch eingeschränkt Zugang zum Kapitalmarkt haben. Das politische Krisenmanagement handelt mit fataler Folgerichtigkeit. An allen Stellen, wo die Marktteilnehmer (aus guten Gründen) ihre Risikoexposition zurückfahren, springt der Staat in die Bresche. Im Falle der Kreditversicherer ist die These von einer “Versicherungsklemme” allerdings fragwürdig (Philipp Krohn in der F.A.Z.: Die Versicherungsklemme existiert nicht). Die Haftungsfähigkeit der Steuerzahler wird trotzdem immer weiter strapaziert.
10.7.2009: Die Bank von England will die quantitative Lockerung der Geldmenge nicht ausweiten (Bettina Schulz: Ende der Notpolitik von Zentralbanken nicht in Sicht, in: F.A.Z.). Die Stunde der Wahrheit, wenn die Zentralbanken mit dem “rein technischen Problem” konfrontiert sein werden, die Geldbasis wieder zu verkleinern, wird kommen. Das Benzin ist gewissermaßen verschüttet. Bei einer Konjunkturerholung droht das Aufkommen von Inflationserwartungen an den Finanzmärkten. Kommt dann eine geldpolitische Vollbremsung? Goldman Sachs gibt zu bedenken: Die Gefahr sei, daß die EZB auf politischen Druck ihre Politik der quantitativen Lockerung zu früh einstellen werde, dann die Renditen und Zinsen wieder stiegen und dies die Konjunkturerholung gleich wieder erschwere. Wird der politische Druck nicht eher in die andere Richtung wirken und das Risiko einer verspäteten Einstellung dieser Risikopolitik begründen? Davon abgesehen: Die Geldpolitik verfügt heute weniger denn je über die Möglichkeit, den Konjunkturverlauf vorherzusehen und sie unterliegt bekanntlich erheblichen Wirkungsverzögerungen.
7.7.2009: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat anläßlich der Brüsseler Gespräche der europäischen Finanzminister über die Kreditknappheit eine zeitlich begrenzte Aufweichung der Basel-II-Eigenkapitalregeln für Banken vorgeschlagen, um mehr Kapital für Darlehen freizugeben. So sollen bei einer Herabstufung von Vermögenswerten durch Ratingagenturen wie Moodys oder Standard & Poors nicht mehr automatisch die Eigenkapitalanforderungen an die Bank entsprechend erhöht werden müssen („Mapping“). Denkbar sei auch eine Obergrenze für das einzubehaltende Eigenkapital („Capping“). Die Begründung? Die geltenden Regeln wirkten prozyklisch. So stellt man das Vertrauen wieder her - und kreiert neue Fehlanreize. Beim Capping besteht ein Anreiz, immer höhere Risiken einzugehen, wenn die Obergrenze einmal erreicht ist. Die ganze Richtung stimmt hier nicht. Das Kreditschwungrad muß sich auf Dauer viel langsamer drehen. Das Wirtschaftswachstum der Vergangenheit war zum Teil mit einer extremen Risikoexposition des Finanzsektors erkauft. Die Reinigungskrise in der Real- wie auch in der Finanzwirtschaft kann höchstens aufgeschoben, aber nicht auf Dauer vermieden werden. Das kaufmännische Vorsichtsprinzip muß auch bei der Kreditvergabe gelten. Die Luft muß raus aus der Kreditblase.
Ceterum censeo: Das bedrohlichste an der Finanzkrise sind die staatlichen Rettungsversuche.
4.7.2009: Die Bundesregierung suche nach Ansätzen, um die Banken zur Erfüllung ihres Kreditauftrages zu verpflichten, sagte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf dem Wirtschaftskongreß der Jungen Union und der CDU-Mittelstandsvereinigung in Düsseldorf. Das sei allerdings rechtlich schwierig umzusetzen. Der Bundesfinanzminister: “Wenn es im zweiten Halbjahr zu einer echten Kreditklemme kommt, wird sich die Bundesregierung mit der Bundesbank zusammensetzen und nach Lösungen suchen. Dabei muß man dann über Maßnahmen nachdenken, die es noch nicht gegeben hat.” Offenbar wird auch über “Zwangskredite” nachgedacht. Ein ordnungspolitischer Irrweg zeichnet sich ab. Wir steuern auf einen halbstaatlichen Finanzsektor zu. Hat in den USA nicht staatlicher Druck in der Entstehungsphase der Krise dazu geführt, daß die Banken viel zu viele Kredite an Risikogruppen vergeben haben? Haben nicht deutsche Landesbanken unter politischer Aufsicht fröhlich die Risiken aus den minderwertigen Hypotheken übernommen? Es ist unfaßbar, daß in der Bundesregierung über so etwas auch nur nachgedacht wird. Mit welchem Recht maßt sich die Regierung in diesem Bereich ein überlegenes Wissen an? Für die Banken ist bereits alles Erdenkliche getan worden, um ihre Kreditvergabe zu stabilisieren. Saufen müssen die Pferde selber! Wer haftet, denn, wenn die unter staatlichem Druck vergebenen Kredite ausfallen? Guttenberg, Steinbrück oder die Steuerzahler? Banken sind Unternehmen, die auf eigene Verantwortung und eigenes Risiko über die Kreditrisiken entscheiden, die sie annehmen oder ausschlagen. Der staatlich gesetzte Regulierungsrahmen kann allerdings so ausgerichtet werden, daß die Banken sich weniger prozyklisch bei der Kreditvergabe verhalten. Alles andere wäre Interventionismus, der die Rollenverteilung in unserer Wirtschaftsordnung grundlegend verändern würde. In solchen Gedankenspielen drückt sich ein grundsätzliches Mißtrauen gegenüber den Banken und den Folgen ihrer geschäftspolitischen Entscheidungen aus. Dabei werden alle über einen Kamm geschoren und der Beitrag der staatlichen Einflußnahme auf die Banken zur Krisenentstehung ausgeblendet. Sucht nicht weiter!
Dazu noch ein Zitat aus dem F.A.Z.-Kommentar von Holger Steltzner (“Der Preis fürs Risiko”): “Am Anfang der Krise stand die verantwortungslose Kreditvergabe. Die Lehre daraus muß sein: Das Kreditrisiko erhält wieder seinen angemessenen Preis.”
Nachtrag: Oder springen die EZB (durch den Ankauf von verbrieften Unternehmenskrediten) oder die KfW in die Bresche? Die KfW als “lender of the last dustbin”?
Ceterum censeo: Das bedrohlichste an der Finanzkrise sind die staatlichen Rettungsversuche.
29.6.2009: Die BIZ warnt in ihrem 79. Jahresbericht vor einer “Bankeneuphorie”. Unter anderem wird auf Probleme bei Kreditkartenportfolios von amerikanische Banken verwiesen. Zwischen Arbeitslosigkeit und Zahlungsverzug bei Privatkundenkrediten bestehe mittlerweile ein engerer Zusammenhang als in der Vergangenheit. Davon abgesehen kommt noch eine Welle von Kreditausfällen aus gewerblichen Immobilienkrediten in den USA auf den Finanzsektor zu. Auch hier haben die Banken wegen der Verbriefungsmöglichkeiten immer waghalsigere Kredite vergeben. Wegen des Preisverfalls bei gewerblichen Immobilien werden diese Kredite nun fällig gestellt oder nicht verlängert. Verlängert werden die Kredite nur bei guter Schuldnerbonität und einer Eigenkapitalquote von 35 Prozent. Hinzu kommen die gewaltigen Ausfallrisiken aus dem Kreditgeschäft in der Rezession. Die Folgen des schweren Konjunktureinbruchs werden sich schon im dritten und vierten Quartal in den Bankbilanzen zeigen.
15.6.2009 (Nachtrag): “Tag der Wirtschaft” des BDI in Berlin. Es gibt Anzeichen, daß der politische Wettbewerb in der Disziplin “Milliardenweitwurf” langsam zu Ende geht. Angela Merkel versprach Zurückhaltung bei künftigen staatlichen Eingriffen in das Wirtschaftsgeschehen. Die Rettung angeschlagener Unternehmen soll sich nur noch in den dafür geschaffenen Strukturen abspielen: „Wir werden versuchen, uns politisch rauszuhalten“, sagte die Kanzlerin. Für die Staatsverschuldung müsse eine „Exitstrategie“ gefunden werden. Die Entscheidungen zu Opel und Arcandor hätte sie „nicht anders getroffen, wenn es keinen Wahlkampf gegeben hätte“. FAZ.NET v. 15.6.2009
Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt noch etwas der Glaube. Sei fest entschlossen und bleibe im Gegenwind standhaft.
Ansonsten trübe Stimmung und keine Aussicht auf eine durchgreifende Wiederbelebung der Wirtschaft in der absehbaren Zukunft. Verheugen sieht kein Licht am Ende des Tunnels. Die Kreditklemme werde immer dramatischer. Norbert Walter rechnet für den Winter 2010 / 2011 mit mehr als 5 Millionen Arbeitslosen.
14.6.2009 (Nachtrag): Die SPD will weitere Staatshilfen für Unternehmen lockermachen, die in Not geraten sind, um Insolvenzen zu vermeiden. Der SPD-Kanzlerkandidat sagte auf dem SPD-Wahlparteitag in Berlin, in der Bundestagswahl gehe es auch um die Richtungsentscheidung „Arbeit statt Abbruch“. Was jetzt in der Industrie wegbreche, werde nach der Krise verloren sein. Den Unternehmen müßten deshalb Brücken gebaut werden, wo immer es sinnvoll und verantwortbar sei, verlangte Steinmeier. Die SPD bleibe bei ihrem Prinzip: „Arbeit ist besser als Insolvenz.“ Unter dem starken Applaus der Delegierten sagte er: „Die neoliberale Ideologie, die uns in diese Krise geführt hat, kann nicht die Antwort auf diese Krise sein.“ Der „Markt ohne Grenzen“ habe keine Zukunft. Es gehe jetzt um eine gestaltende Industriepolitik, nicht um ordnungspolitische Lehrbuchweisheiten. zitiert nach FAZ.NET vom 14.6.2009
So weit der Impulsgeber der Agenda 2010. Die “Ordnungspolitik” hat der Kandidat schon mehrfach als negativ besetzten Kampfbegriff mißbraucht. Und dies zu unrecht. Gute Ordnungspolitik bedeutet nicht zuletzt, das Geld knapp zu halten (an die Zentralbanken gerichtet, z.B. mittels einer Geldmengenregel oder eines Konkurrenzwährungssystems) und für eine angemessene Zuordnung von Risiko und Haftung zu sorgen (an die Gesetzgeber gerichtet). Was ist die Corporate Governance-Struktur einer Landesbank anderes als eine ordnungspolitische Mißgeburt?
Daß an den Finanzmärkten das Virus Gier in einer besonders aggressiven Form herrscht und daß diese Märkte zu exzessiven Übertreibungen neigen, ist nun wahrlich keine neue Erkenntnis. Ich denke da an die Tulpenzwiebeln. Es ist diesmal so schlimm gekommen, weil die Märkte sich noch nie so unbehindert von Regulierungen und Bankenaufsicht entfalten konnten. Das widerlegt aber in keiner Weise das Denken in Ordnungszusammenhängen. Solches Denken ist jetzt sogar wichtiger denn je, denn die Krise bietet den Populisten einen weiten Spielraum, um Interventionen mit Scheinargumenten zu rechtfertigen. Ordnungspolitisches Denken liefert Maßstäbe für staatliches Handeln - auch und gerade in der Krise.
10.6.2009: Die Zukunft war früher auch besser. Karl Valentin
9.6.2009: In der Mitte der Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten. Albert Einstein
3.6.2009: 2015 - das Jahr der finalen Krise: Ein F.A.Z.-Gespräch mit Meinhard Miegel (F.A.Z., 03.06.2009, Nr. 126 / Seite 29). Der Gedanke, daß mit den staatlichen Bankenrettungen und Konjunkturpaketen möglicherweise nur eine neue Stufe der Krise betreten worden sein könnte, war mir auch schon gekommen. Wird es so ablaufen wie ein klassisches Drama? Dann hätten wir den Wendepunkt jetzt hinter uns. Sind wir auf dem Weg zur Lösung oder auf dem Weg in die Katastrophe? Stimmt die Analogie, so wären wir jetzt im vierten Akt (Moment der letzten Spannung - fallende Handlung, retardierendes Moment). Das Hindernis der staatlichen Rettungsversuche verzögert die Lösung der Tragödie noch einmal. Wenn die Staaten sich übernehmen, dann kann uns wirklich nur noch Gott helfen. Hat eigentlich schon einmal jemand den Gedanken geäußert, daß das Ganze so etwas wie die Sintflut sein könnte? Das Schicksal der Weltwirtschaft hängt nach wie vor am seidenen Faden. Die Insolvenz eines Landes vom Kaliber Japans, der USA oder Großbritanniens würde als Trigger ausreichen, um eine neue Vertrauenskrise auszulösen, gegen die es dann möglicherweise kein Heilmittel mehr gibt. Wir werden dann sehen, wie weit die internationale Solidarität reicht. Laßt uns hoffen, daß die politischen Systeme stabil genug sind, um eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte einzuleiten, bevor es zu spät ist. Das wird schmerzhaft. Die Politik muß die Spendierhosen ablegen und das Wahlvolk auf Austeritätskurs einschwören. Vor diesem Hintergrund wird uns die Diskussion um öffentliche Hilfen für Arcandor im Rückblick schon bald völlig absurd erscheinen. Diese Krise landet nicht als Bettvorleger. Die Wähler beginnen zu spüren, daß es ohne schmerzhafte Einschnitte nicht abgehen wird. Wir sollten uns auf die Suche nach einem Churchill für die Wirtschaftskrise begeben: “Ich habe Euch nichts anzubieten außer Blut, Schweiß und Tränen.”
3.6.2009: “Die Bankensanierung ist im Wesentlichen so einigermaßen gelungen.” Angela Merkel auf einer Diskussionsveranstaltung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in Berlin
Eine bewußt zurückhaltende Formulierung, denn die Sanierung läuft ja noch. Unter anderem ist noch die eine oder andere Bad Landesbank abzuwickeln.* Ein paar Schönheitsfehler wie die aufwendige Rettung durchaus nicht systemrelevanter Institute wie der IKB oder der Sachsen LB stören das selbstgefällige Gesamtbild auch nicht. Warum ist die Bankensanierung eigentlich nötig gewesen? Weil der Gier der verantwortlichen Bankvorstände nicht mit den Mitteln der Bankenaufsicht und -regulierung Einhalt geboten wurde und weil die Zentralbanken mit ihrer laxen Geldpolitik die Voraussetzungen für eine schrankenlose Kreditschöpfung geschaffen haben. Nirgendwo sonst trägt der Staat so viel Verantwortung für die Verwundbarkeit des Bankensystems wie in Deutschland. Über den Erfolg der Aktion sollten wir uns erst dann ein Urteil erlauben, wenn die Schlußrechnung vorliegt.
*) Landesbank ist nicht gleich Landesbank. Es gibt auch Institute wie die Helaba oder die NORD/LB, die sich nicht die Finger mit faulen Hypothekenforderungen verbrannt haben, sondern sich auch um ihre Heimatmärkte gekümmert haben.
Ceterum censeo: Das bedrohlichste an der Finanzkrise sind die staatlichen Rettungsversuche.
3.6.2009: Legibus solutus: Opel sei ein “besonderer Fall”, sagt Frau Merkel auf einer Diskussionsveranstaltung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in Berlin. Staatshilfen würden in Zukunft nicht mehr ohne Befassung der Bürgschafts- und sonstigen Ausschüsse genehmigt werden, die die Regierung dafür vorgesehen hat. Sie versprach, die Regierung werde sich zukünftig an die selbstgesetzten Regeln halten (F.A.Z., 03.06.2009, Nr. 126 / Seite 9).
Erstens fällt es mir schwer zu begründen, warum Opel ein besonderer Fall sein sollte und zweitens glaube ich einfach nicht, daß die Regierung sich in einem vergleichbaren Fall an ihre eigenen Regeln halten würde. Das wäre auch inkonsequent.
Ceterum censeo: Das bedrohlichste an der Finanzkrise sind die staatlichen Rettungsversuche.
29.5.2009: “Wir haben eine gute Chance, die gegenwärtige Krise zu bewältigen; doch nicht, indem wir die Krise finanzieren und damit verstetigen, sondern indem wir zur verantwortlichen Freiheit, zum lauteren Wettbewerb, zu einem Markt mit persönlicher Haftung zurückkehren. Nicht Freiheit und Wettbewerb, sondern Prämien, Finanzanreize und staatlich kreditfinanziertes Wachstum gehören abgewrackt.” Quelle: Paul Kirchhof Der Schaden der anderen, Teil 6 der F.A.Z.-Reihe Die Zukunft des Kapitalismus
24.5.2009: “Notleidende Unternehmen und ganze Branchen werden heute mit staatlicher finanzieller Hilfe künstlich am Leben erhalten - angeblich vor allem deshalb, um die gefährdeten Arbeitsplätze zu erhalten. Dieses Versprechen wurde aber in der Vergangenheit selten eingehalten. Die meisten Firmen, die staatliche Hilfe bekamen, waren früher oder später doch pleite.” Wendelin Wiedeking in der F.A.S. v. 24.9.2006
21.5.2009: Dow Jones Deutschland meldet um 22:59, daß die Angst vor einem Bonitätsverlust der USA die Anleihekurse unter Druck gesetzt hat. Ursächlich für den Ausverkauf sei die Drohung der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) gewesen, die Kreditratings Großbritanniens herabzustufen, falls das Land seine Staatsfinanzen nicht in Ordnung bringe. S&P hatte den Ausblick für das britische Triple A-Kreditrating auf “negativ” zurückgestuft. Der Investor Bill Gross warnte daraufhin vor dem Kauf von US-Staatsanleihen. Die Stunde der Wahrheit schlägt in der kommenden Woche, wenn US-Anleihen im Umfang von 101 Milliarden Dollar auktioniert werden.
Die Warnung von S&P sollten die verantwortlichen Politiker auch in Paris, Berlin und anderswo zur Kenntnis nehmen. Die Haftungsfähigkeit der Staaten ist nicht unbegrenzt. Auch die Tatsache, daß Staaten sich notfalls mit Zwangsmitteln Einnahmen verschaffen können, ist nicht der geringste Grund zur Beruhigung, denn die Steuerpolitik hat mit zunehmendem Steuerwiderstand zu rechnen, je mehr sie die Daumenschrauben anzieht. Was Regierungen riskieren, wenn sie ihren Haushalt nicht in Ordnung bringen? Eine Spirale aus Bonitätsherabstufungen und steigenden Zinsen, um ihre Anleihen an den Mann zu bringen. Es ist auch keineswegs unvorstellbar, daß Märkte austrocknen und die Regierung keinen Zugang mehr zum Kapitalmarkt hat.
Dum spiro spero: Ist die systemische Phase der Finanzkrise wirklich schon vorbei, wie manche Kommentatoren schreiben? Da können wir nicht sicher sein. Jedenfalls stecken die jüngsten Erfahrungen den Marktteilnehmern noch in den Knochen. Die Situtation ist nach wie vor fragil und ein neuer Trigger könnte eine neuerliche systemische Vertrauenskrise nach sich ziehen. Ich zweifle, ob die Märkte in ihrem derzeitigen Zustand eine Bonitätsherabstufung der USA verkraften könnten. Die Auswirkungen könnten katastrophal sein. Wenn die Finanzmarktteilnehmer einmal das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der letzten Garantiegeber und der letzten Kreditgeber verlieren sollten, dann wird uns der Post-Lehman-Sturm im nachhinein wie ein leises Vorspiel erscheinen.
Ceterum censeo: Das bedrohlichste an der Finanzkrise sind die staatlichen Rettungsversuche.
19.5.2009: Wer glaubt noch daran, daß die USA, Japan und Deutschland eines Tages damit anfangen werden, ihre exorbitanten öffentlichen Schuldenberge zu tilgen? Das Schuldenmachen ist ihnen längst zur Droge geworden. Es wäre schon ein Wunder, wenn sie es in irgendeinem Jahr mal schaffen würden, keine neuen Schulden aufzunehmen. Aber irgendwie kommt immer was dazwischen, das kennt man ja. Sie finden immer “unabweisbare” Gründe, um die Haushaltskonsolidierung weiter aufzuschieben - eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, eine Naturkatastrophe, etc. Das grenzt schon an Konkursverschleppung. Wie wird es ablaufen? Ein paar Inflationsjahre werden es richten. Auf der Strecke werden die Sparer bleiben, die den Regierungen und Zentralbanken zu lange ihr Vertrauen schenken. Der letzte Akt der Finanzkrise wird die Entschuldung der Retter durch Inflation sein.
Ceterum censeo: Das bedrohlichste an der Finanzkrise sind die staatlichen Rettungsversuche.
18.5.2009: Günter Verheugen zur deutschen Finanzaufsicht: "Nirgendwo, auch nicht in Amerika, haben sich Banken mit größerer Bereitschaft in unkalkulierbare Risiken gestürzt, allen voran die Landesbanken. Deutschland war Weltmeister in riskanten Bankgeschäften." Dies sei nur möglich gewesen, weil die Aufsicht die Dinge habe laufen lassen. In der EU-Kommission werde die Rolle der deutschen Finanzaufsicht kritisch beurteilt. "Es ist ja kein Naturgesetz, hochriskante Geschäfte abzuschließen und zuzulassen." Andere Länder wie beispielsweise Italien stünden nun besser da mit ihren Banken, dort gebe es keine Schrottpapiere. SPIEGEL online Wirtschaft, 18.5.2009
18.5.2009: Etwa 100.000 Menschen haben am Samstag in Berlin auf einer Kundgebung des DGB gegen Sozial- und Stellenabbau sowie für ein stärkeres Engagement des Staates in der Wirtschaftskrise demonstriert (F.A.Z., 18.05.2009, Nr. 114 / Seite 2). Man reibt sich die Augen: Reicht das immer noch nicht? Nein, die Herren Sommer, Bsirske und Huber wollen mehr: sofort ein drittes Konjunkturprogramm im Umfang von (jährlich!) 75 Milliarden Euro. Die Finanzierung? Erraten: Die Besserverdiener und die reichen Erben sollen zur Kasse gebeten werden. Außerdem soll der Staat nun offenbar jedes strauchelnde Unternehmen vor der Insolvenz retten. Dazu IG-Metall-Chef Huber: “Wer behauptet, nur Banken seien systemrelevant, ist ein gefährlicher Dummschwätzer.”
Den Gewerkschaftsvertretern ist das Denken in Ordnungszusammenhängen leider völlig fremd. Darum ist es auch unklar, welche Wirtschaftsordnung sie für die Zukunft anstreben. Nimmt man die einzelnen Forderungen zusammen, so ergibt sich das Bild einer gemischten Ordnung mit einer extrem hohen Staatsquote, konfiskatorischen Steuern und plumpen Regulierungen allerorten. Umfassende staatliche Fürsorge, die den Staat letzten Endes finanziell überfordern muß, die Bürger zur Unmündigkeit erzieht und die Leistungsanreize so sehr beeinträchtigt, daß immer weniger zu verteilen sein wird. Die formalen Freiheitsrechte wären in einer solchen Umgebung nicht mehr viel wert. Um mit Hayek zu sprechen: Der Weg in die Knechtschaft wäre vorgezeichnet.
18.5.2009: Ich wünsche mir, daß die Krise den Staaten ihre Grenzen aufzeigt.
17.5.2009: Soll der Markt hinreichend mit dem Lebenselixier Liquidität versorgt werden, bedarf es neben den klassischen Anlage- und Refinanzierungsformen auch innovativer Produkte wie steuertransparenten Immobilien- Invest-AGs und echten Verbriefungen, einschließlich der dafür erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Während über deren konkrete Ausgestaltung noch eine lähmende Diskussion geführt wird, haben Immobilienfinanzierer mit internationaler Expertise ihre Rolle längst neu definiert. Als Intermediär, Finanzingenieur und Berater agieren sie an vorderster Front, wenn es um die kapitalmarktgerechte Erneuerung des deutschen und europäischen Immobilienmarktes geht. Bernd Knobloch, Eurohypo Aktiengesellschaft, Frankfurt a.M.: Mobilisierung der Immobilie: Der Immobilienmarkt braucht mehr kapitalmarktgerechte Produkte, in: Professionelles Immobilien-Banking - Fakten und Daten 2004, hrsg. vom VDH Verband Deutscher Hypothekenbanken, S. 5.
16.5.2009: Angesichts des sich vollziehenden Strukturwandels sowohl auf Seiten der Kunden als auch im Marktgeschehen werden künftig nicht mehr alle Institute im vergleichsweise margenträchtigen Primärmarkt aktiv sein. Eigene Vertriebs- und damit verbundene Bearbeitungsstrukturen werden nur von wenigen Instituten im Rahmen ihrer Portfoliodiversifikationsstrategie global vorgehalten werden können. Die sich zunehmend etablierenden Sekundärmärkte mit syndizierten Krediten oder verbrieften Strukturen bieten interessante Alternativen bzw. Ergänzungen hierzu. Letzteres ist wesentlicher Bestandteil der Etablierung der Immobilie als attraktive Assetklasse im Kapitalmarkt. Der Ausblick in die Zukunft ist ermutigend. Der Strukturwandel in der Immobilienfinanzierung setzt sich mit großer Dynamik fort. Dies wird zu professionelleren und transparenteren Immobilienmärkten führen und das Zusammenwachsen mit den Kapitalmärkten auch in Deutschland beschleunigen. FRANK LAMBY, ehemaliger Sprecher des Vorstands, Hypo Real Estate Bank AG und Mitglied des Vorstands, Hypo Real Estate Holding AG: Strukturwandel in der Immobilienfinanzieru: Strukturwandel in der Immobilienfinanzierung, in: Professionelles Immobilien-Banking - Fakten und Daten 2005, hrsg. vom vdp Verband Deutscher Pfandbriefbanken, S. 11.
14.5.2009: Denn der Wert eines Gedankens mißt sich nach seiner Distanz von der Kontinuität des Bekannten Theodor W. Adorno: Minima Moralia, I, 50. Moral und Zeitordnung
13.5.2009: Den Regierungen und Zentralbankern fehlt eine Eigenschaft völlig: die Demut. Sie würden sich und der Öffentlichkeit nie eingestehen, daß es kein Mittel mehr gibt, um die Krise zu bekämpfen, daß ihr Instrumentenkasten leer ist. Und sie würden sich auch nicht eingestehen, daß es nur noch Mittel gibt, bei denen die schädlichen Nebenwirkungen den Nutzen übertreffen. Es sind keine Maßstäbe und Grenzen staatlichen Handelns mehr erkennbar. Hinter dem Bekämpfen der Krisenfolgen um jeden Preis steht letzten Endes das Wissen um die eigene Schuld - also um den eigenen ursächlichen Beitrag der Regierungen und Zentralbanken zum Entstehen der Krise. Es geht ihnen um die Wiedergutmachung oder wenigstens um die Begrenzung des angerichteten Schadens. Es bleibt dabei: Das bedrohlichste an der Finanzkrise sind die staatlichen Rettungsversuche.
9.5.2009 (Nachtrag): Die halbstaatliche Refinanzierungsagentur Fannie Mae berichtete am 8.5.2009 über einen Verlust von 23,2 Milliarden Dollar im ersten Quartal. Das gesamte Geschäft sei von höheren Ausfallraten geprägt gewesen, auch Hypothekendarlehen, die man bislang als vergleichsweise risikoarm angesehen habe. Die Gründe: die anhaltende Zunahme der Arbeitslosigkeit, der fortgesetzte Rückgang der Eigenheimpreise sowie der ungebremste konjunkturelle Abschwung. Das klingt für mich nicht nach “R” wie Recovery. Die Börse ignorierte diese Nachricht weitgehend.
9.5.2009 (Nachtrag): “Für den Belastungstest der Banken hat die Fed eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 8,4 Prozent in diesem und von 8,8 Prozent im kommenden Jahr unterstellt. Für den Fall, dass sich die Krise noch weiter verschärfe, sei mit Arbeitslosenquoten von im Durchschnitt 8,9 Prozent in diesem und von 10,3 Prozent im kommenden Jahr zu rechnen.” (F.A.Z., 09.05.2009, Nr. 107 / Seite 12). Die Ergebnisse der Stresstests sind an der Börse mit Jubel aufgenommen worden.
Die Fed hat also in ihrem “Belastungstest” eine (unwahrscheinliche) schnelle Wende am Arbeitsmarkt angenommen. So schafft man Vertrauen.
8.5.2009 (Nachtrag): Volker Wieland gibt in der F.A.Z. vom 8.5. unter dem Titel “Jenseits des Zinses - die neue Geldpolitik” einen didaktisch hervorragenden Überblick über die Instrumente und Handlungsmöglichkeiten der Geldpolitik in Krisenzeiten (F.A.Z., 08.05.2009, Nr. 106 / Seite 12). Es bleibt allerdings unklar, wieso dieser Beitrag in der Rubrik “Die Ordnung der Wirtschaft” erschienen ist. Tatsächlich wird die ordnungspolitische Dimension der neuen Geldpolitik mit keinem Wort angesprochen. Es handelt sich um einen durchweg technisch orientierten Text, in dem begründet wird, warum eine quantitative Lockerung für die Zentralbank angezeigt sein kann und wie sie instrumentell einzubetten ist (im Rahmen einer Nullzinspolitik). Die mit diesem Politikansatz verbundenen Inflationsrisiken werden recht knapp abgehandelt: “Dann muß sie [die EZB] die eingekauften Wertpapiere verkaufen und die Zinsen wieder anheben. Technische Schwierigkeiten gibt es dabei nicht.” Wirklich? Kein Prognoseproblem? Kein Timingproblem? Kein Dosierungsproblem? Keine Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik? Nur für eine Zentralbank mit perfekter Voraussicht über die Zukunft würde es dabei keine technischen Schwierigkeiten geben. In der Realität wird es ein Lauf auf des Messers Schneide. Davon abgesehen können wir die ordnungspolitischen Fragen, die die quantitative Lockerung aufwirft, nicht einfach beiseite schieben. Es geht um das moralische Risiko, um die Zuordnung von Risikonahme und Haftung und vieles mehr, wenn Zentralbanken Unternehmensanleihen kaufen. Und Staatsanleihen sollten sie aus naheliegenden Gründen niemals kaufen, unter keinen Umständen und auch nicht am Sekundärmarkt. Ordnungspolitisch blinder Aktionismus rächt sich auf lange Sicht immer.
6.5.2009: “Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden.” Kurt Tucholsky
1.5.2009: “Das Gefüge des Universums hat sich nicht nur verändert, es ist auch höchst instabil. Gott weiß, wohin das führt.” der Wissenschaftler Zac Hobson in The Quiet Earth – Das letzte Experiment, ein Film von Geoff Murphy, Neuseeland 1985 nach Richard Mathesons Science Fiction-Roman „I Am Legend“.
30.4.2009: Es gibt keinen Weg, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu vermeiden, der durch Kreditexpansion erzeugt worden ist. Die Alternative kann nur sein: Entweder die Krise kommt früher – als ein Ergebnis der freiwilligen Einstellung der Kreditexpansion – oder später als eine finale und totale Katastrophe des betreffenden Währungssystems.” Quelle: Ludwig von Mises: Theorie des Geldes und der Umlaufmittel, Habilitationsschrift 1912.
23.4.2009: In der F.A.Z. von heute (23.04.2009, Nr. 94 / Seite 23) wurde in der sehr lehrreichen Serie über historische Finanzskandale nochmals die Geschichte der AHBR erzählt. Die Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden war eine Hypothekenbank der Gewerkschaften, die wegen einer “Zinsschieflage” an den Geierfonds Lonestar verkauft werden mußte - nachdem sie den Gewerkschaften riesige Verluste beschert hatte. Die ganze Affäre war eine Art Schlußkapitel der tragischen Versuche der Gewerkschaften, Großunternehmen zu führen (nach der Neuen Heimat und Coop).
Die AHBR war nicht die erste Hypothekenbank, die wegen der kurzfristigen Refinanzierung langfristiger Ausleihungen im Außerdeckungsgeschäft in Schwierigkeiten geriet. Ebenso erging es in jüngster Zeit der Essen Hyp und der Depfa. Markus Frühauf führt diese Neigung der Hypothekenbanken, aufs Eis zu gehen, auf ihr langweiliges und margenschwaches Grundgeschäft zurück: die Immobilien- und Staatsfinanzierung mittels Pfandbriefen. Das erscheint mit plausibel, aber heißt das nicht, daß Regulierung sinnlos ist? Mit dem Pfandbriefsystem wollte der historische Gesetzgeber zugleich eine verläßliche Fremdfinanzierungsquelle für Immobilieninvestitionen und eine besonders sichere Klasse von Anleihen schaffen. Zu diesem Zweck hat er die Rechtsgrundlage für eine Form hochregulierter Spezialbanken geschaffen, denen nur besonders risikoarme Kreditgeschäfte erlaubt waren. Bei kapitalmarktorientierten Instituten besteht aber offenbar die Gefahr, daß sie im Außerdeckungsbereich (also dort, wo die Kredite nicht mit Pfandbriefen refinanziert werden) um so größere Risiken eingehen.
Das Spezialbankprinzip ist nun abgeschafft und damit haben die Ansteckungsrisiken für das Pfandbriefgeschäft eine neue Dimension angenommen. Im Lichte der Krise fragt man sich, ob die ganze Kette von Gesetzgebungsnovellen zum Zwecke der “Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit des Pfandbriefs”, die von der Abschaffung des Spezialbankprinzips nur gekrönt wurde, nicht ein Irrweg war. Wäre es nicht besser gewesen, das Außerdeckungsgeschäft und die Nebengeschäfte der Hypothekenbanken eng zu begrenzen? Auf keinen Fall, hätte es seinerzeit geheißen, dies würde dem Finanzstandort Deutschland unermeßlichen Schaden zufügen.
Wie soll unser zukünftiges Bankensystem aussehen? Öffentliche Banken haben genauso kläglich versagt wie Universal- und Spezialbanken. Das Versagen hat ein solches Ausmaß erreicht, daß die derzeitige Struktur des Bankensystems im Hinblick auf den Rechtsformen- und den Größenmix und andere Parameter wie die Beteiligungsverhältnisse auf den Prüfstand gehört. Es ist nicht damit getan, die Geschäfte der Banken schärfer zu regulieren und die Aufsicht über sie zu verbessern. Wir brauchen Strukturveränderungen, die tief in die Organisationen hineinwirken. Das Ziel ist eine nachhaltige Risikopolitik, die nicht von der Regulierung erzwungen wird. Die Frage ist, ob öffentliche oder kapitalmarktorientierte Banken diesem Anspruch überhaupt gerecht werden können.
22.4.2009: Die Pläne des Bundesfinanzministers zur Schaffung sogenannter “Bad banks” zur Entlastung der Banken von toxischen Wertpapieren nehmen Gestalt an. Zusätzliche Belastungen für den Steuerzahler werde es nicht geben, hebt Peer Steinbrück hervor. Ein Satz ohne Hintertür.
Die kursierenden Schätzungen über das Volumen der toxischen Wertpapiere in den Bilanzen der Banken rund um die Welt sind haben inzwischen beängstigende Dimensionen angenommen. Der IWF geht von einem Volumen von 4 Billionen Dollar aus. Auf deutsche Banken entfallen davon mindestens 1,1 Billionen Dollar. Abgesehen von den USA ist kein Bankensystem so exponiert wie unseres. Zu verdanken haben wir das in erster Linie der Schlafmützigkeit der Bafin und den Zockereien der Landesbanken.
Anders als von der Bundesregierung erwartet wird in der Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute eine Erholung der Wirtschaft erst für das kommende Jahr erwartet. Und der Aufschwung wird nach ihrer Einschätzung auch nicht kräftig ausfallen - wenn er denn kommt. Die Folgen für das Steueraufkommen und das Staatsdefizit werden in jedem Fall verheerend sein.
Es ist offensichtlich, daß die Bundesregierung mit den Bad banks auf dem Wege dazu ist, neue Haftungsrisiken in ungeahnter Höhe zu begründen. Allmählich zeichnen sich die Grenzen der Haftungsfähigkeit des Staates am Horizont ab. Neue Staatsschulden sind angesichts der unsicheren Zukunftsaussichten nur zur Stabilisierung des Finanzsektors vertretbar. Das gilt heute und das galt auch schon im letzten Herbst. Die Bad banks kommen viel zu spät. Der Übetragungsmechanismus der Krise auf die reale Wirtschaft ist die Kreditvergabe der Banken. Dort muß die Krisenbekämpfung ansetzen. Eine wirkungsvolle Stabilisierung des Finanzsektors hätte die Konjunkturprogramme überflüssig machen können.
Diese Fokussierung der Maßnahmen würde dem von Napoleon entwickelten Prinzip der Konzentration der Kräfte entsprechen: “Was ist der Krieg? Ein barbarisches Handwerk, dessen ganze Kunst darin besteht, an einem bestimmten Ort stärker zu sein.”
Doch welcher Politiker erklärt den Wählern und den Opel-Mitarbeitern unter ihnen, daß alle Mittel auf den Finanzsektor konzentriert werden müssen? Da wäre politische Führung ohne Rücksicht auf die nächsten Wahlergebnisse gefordert. Vom persönlichen Format kämen dafür Politikertypen vom Schlage eines Gerhard Schröder oder einer Margret Thatcher in Frage. Solche sind aber nicht in Sicht.
Jetzt besteht die Gefahr, daß die Regierung letzten Endes an beiden Fronten (Konjunktur- und Bankenstabilisierung) scheitert, weil ihre Kreditwürdigkeit nicht ausreicht, um die Lasten zu vertretbaren Zinsen zu schultern.
18.4.2009: Gesine Schwan hat die technischen Antworten auf die Krise (wie etwa die “Bad Bank”) als unzureichend bezeichnet, um das Vertrauen wiederherzustellen (F.A.Z., 18.04.2009, Nr. 90 / Seite 14). Wichtiger sei eine Rückkehr zu längerfristigem Denken, eine größere Transparenz und eine ehrliche Aufarbeitung der Krise. Damit hat sie einen sehr wichtigen Punkt berührt. Wir brauchen eine Grundwertedebatte und nicht nur technisches Krisenmanagement. Die Krise verlangt von uns allen ein sehr hohes Lerntempo und sie stellt reihenweise tradierte Gewißheiten in Frage, zum Beispiel: die Geschäftsmodelle der Investmentbanken und der Landesbanken, die Fähigkeit staatlicher Organe zur effektiven Überwachung ebendieser Landesbanken und anderer öffentlicher Beteiligungsunternehmen, die Fähigkeit der Bankenaufsicht zur effektiven Überwachung der Risikoexposition von Banken und Versicherungen, die Nützlichkeit von Finanzinnovationen, die Vorteile des wirtschaftlichen Wettbewerbs, das schrankenlose Gewinnstreben, ...
Mittlerweile haben sich die Fronten so weit geklärt, daß sich die Debatte über die Ursachen der Krise zwischen den beiden gegensätzlichen Polen des Markt- und des Staatsversagens abspielt. Je nach Lagerzugehörigkeit werden die Ursachen einseitig im Versagen der Märkte oder allein im Versagen des Staates gesehen. Damit ist die Chance, aus der Krise etwas für die Zukunft zu lernen, schon beinahe vertan. Die wichtigste Frage lautet, ob staatliche Institutionen überhaupt auf Dauer in der Lage sind, Finanzmärkte zu kontrollieren, an denen die Mehrzahl der Akteure nach kurzfristiger Gewinnmaximierung strebt. Es trifft ja zu, daß auch der Staat “versagt” hat (Geldpolitik, Bankenaufsicht, öffentliche Banken, etc.). Die bloße Feststellung bringt aber noch keinen Erkenntnisfortschritt mit sich. Wir müssen uns fragen, warum der Staat versagt hat. Und wir müssen uns fragen, warum die Marktakteure versagt haben. Und das ist eben keine rein technische Debatte für interessierte Fachleute. Hier geht es um die Institutionen, die die politische Entscheidungsfindung prägen und die Werthaltungen in unserer Gesellschaft.
17.4.2009: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.” Paul Watzlawik: Vom Schlechten des Guten
16.4.2009: "Es gibt nur eine eindeutige Parallele (zu den Erfahrungen der Wendejahre in Ungarn): Wie damals begreifen wir auch heute nur ganz langsam, Schritt für Schritt, was geschieht, haben aber nicht die geringste Ahnung, was als Nächstes passieren wird." Péter Nádas, zitiert nach F.A.Z., 16.04.2009, Nr. 88 / Seite 29.
13.4.2009: “Ein böses Jahr kam über das Land, ... Die furchtbaren Folgen eines heftigen Landschreckens wurden schnell fühlbar. Der Verkehr stockte, die Werthe der Güter und Waren fielen, Jeder suchte das Seine zu retten und an sich zu ziehen, viele Capitalien wurden gekündigt, große Summen, welche in kaufmännischen Unternehmungen angelegt waren, kamen in Gefahr. Niemand hatte Lust zu neuer Thätigkeit, Hunderte von Bändern wurden zerschnitten, welche die Menschen zu gegenseitigem Nutzen durch lange Zeit verbunden hatten. Jede einzelne Existenz wurde unsicherer, isolirter, ärmer. Ueberall sah man ernste Gesichter, gefurchte Stirnen. Das Land war wie ein gelähmter Körper, langsam rollte das Geld, dies Blut des Geschäftslebens, von einem Theile des großen Leibes zu dem andern; der Reiche befürchtete, daß er viel verlieren werde, der Arme verlor die Möglichkeit, sich auch nur wenig zu erwerben. Die Zukunft erschien plötzlich verhängnisvoll, schwarz, verderblich, wie der Himmel vor einem schweren Gewitter.” Gustav Freytag: Soll und Haben, Zweiter Band, Sechste Auflage, Leipzig 1856, S. 3-4. Der Romanautor beschreibt hier die Folgen des polnischen Aufstandes für die deutsche Wirtschaft.
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